30. Juli 2014
UND jetzt auch mit Bildern! Siehe unten.
Ausflug nach Fukushima.
Hitachinaka-shi, wo ich derzeit mit meiner Frau Kiyoko wohne, wurde vor einigen Jahhren aus zwei nahe beieinanderliegenden Städten und einigen kleineren Gemeinden gegründet: der Hauptbahnhof liegt in Katsuda (wo meine Schwägerin und ihre Familie wohnen), der alte und nicht nur regional beknnte Fischereihafen am Pazifischen Ozean heißt Nakaminato-shi. Von hier fuhr auch das Schiff meine Schwiegervaters aufs weite Meer hinaus um den köstlichen Maguro oder Katsuo zu fangen. Noch heute schüttelt meine Frau den Kopf ob des teuren Fisches, der damals für die Familie frei verfügbar war. Unsere ganze Verwandtschaft lebt im engeren Umkreis des älesten AKWs Japans: Tokaimura. Beide Städt haben eine lange gemeinsame Grenze. Und in Tokaimura gab es schon einige Explosionen, allerdings in keinem Vergleich mit Fukushima im März 2011. Nur dass der ehemalige Bürgermeister von Tokaimura, MURAKAMI, noch immer böse ist dafrüber, dass die Veranrtlichen "seines" AKWs in Tokaimura ihm erst mit tagelanage Verspätung mitteilten, dass auch "sein" AKW in der Gefahr stand, in die Luft zu fliegen. Herr Murakami ist ein alter Kämpfer gegen die AKWs, lange Zeit der einzige Bürgermeister einer Stadt, der auf einsamem Posten stand.
Von Hitachinaka-shi und Tokaimura bis Fukushima Daiichi sind es nur etwa 100 km. Von dort bis zum Airin Kindergarten in der gleichnamigen Stadt der Präfektur Fukushima sind es etwa 60 km. Der Kindergarten mit angeschlossener Kindergrippe hat zwei große Meßgeräte der Stadt auf seinem Gelände. Jeder kann so sehen, wie sich die Zahlen verändern - vor allem je nach Windrichtung. Auf dem einen Gerät lasen wir 0.078 auf dem andern 0,095. Später zeigt uns die Leiterin, KIMURA Emiko, noch eine Handgerät. Auch dieses wird von der Stadt auf Antrag zur Verfügung gestellt. Damit knn man nun übrall und zu jederZeit messen, wie groß die Gefahr einer weiteren Kontaminierung mit Cäsium ist. Sofern die Gerä#te richtig funktionieren, weiß man dan zum jeweiligen Zeitpunkt, ob die Gefahr größer oder kleiner geworden iwst. Die Ängste werden dadurch nicht hinweggezaubert. Und fast jeder, der in dieser Stadt oder in der ganzen Region Fukushima (und weit darüber hinaus) lebt, muss nun wohl oder übel damit leben und zurecht kommen. Das kann gelingen oder aber auch nicht. Als Erieher im Kindergarten und in der Kindergrippe ist es selbstverstndlich, für die Kinder das Beste aus der Situation zu machen. Um ihr Wohl geht es, um dieStärkung ihrer Gesundheit oder Widerstandskraft. Das eigentliche Problem für die ErzieherInnen sind die Mütter mit ihren Sorgen, mit ihren Vorstellungen, mit ihren Forderungen. Sie vor allem sind den unterschiedichen Informationen ausgesetzt, wissen oft nicht, was richtig oder falsch, was gut oder böse ist. Denn die Informationen gehen von "völlig harmlos" und "ungefährlich" bis hin zu "schutzlos preisgegeben". Und das gerade hier in Fukushima, wo berühmt Ärzte und die staatliche Universität die Sache mit der Radioaktivität völlig verharmlosen. Die Gefahr ist nicht zu sehen, Krankheitsfälle sind vereinzelt, und jeder lebt in den gleichen Bedingungen. Was es in Fukushima und in dieser Region bedeutet, Mutter zu sein (oder auch Mutter zu werden) kann sich jemand außerhalb kaum vorstellen (und die meisten Japaner mögen es sich auch nicht vorstellen). Wie meist sind auch hier die Opfer die Unberührbaren, vor denen man ausweicht. in den nächsten Monaten werden hunderte im März 2011 Geflüchteter wieder in die Stadt zurückkehren, weil die sgtaatlichen Zuschüsse auslaufen. Auch diese Kinder müssen in den Kindergärten aufgenommen werden. Neue Probleme dieser Mütter werden von den ErzieherInnen aufgegriffen und behandelt werden müssen.
Der Airin-Kindergarten ist einer von zwei christlichen Kindergärten. Hier, im Airin ist die Kontaminierung (50 cm Erdaushub mussten im Spoielbereicht der Kinder in etwa 2 m Tiefe begraben werden) am geringsten, darum wollen alle ihre Kinder hierher bringen, aber mit über 130 Kindern ist der Kindergarten jetzt schon überfüllt. Die Anmeldungen fürs nächste Kindergartenjahr laufen jetzt schon.
Noch steht der "Sandkasten" in einem Raum des Kindergartens (früher war das einmal das Schwimmbecken im Hof), gefüllt mit weißem, feinen Sand aus Australien, den eine Baufirma gespendet hat. Er wird noch lange hier stehen. Noch immr werden die Kleider nach dem Spiel im Freien ausgeklopft, damit alle Radioaktivität abfallen kann ehe man ins Haus geht, die Hände, Füße und das Gesicht gewaschen, die Geräte abgewischt oder mit dem Wasserschlauch abgespült. Der Weinstock am Eingang trägt gute Früchte: rote Beeren, die elcker aussehen und verlockend in dieser heißen Sommerzeit. Aber die Kinder dürfen (müssen?) sich diese Beeren nur ansehen, gegessen werden dürfen sie nicht. Aber im kleinen Garten am Eingang wachsen allerlei schöne Pflanzen, darunter auch viele Sonnenblumen, die gerade ihre bganze Herrlichkeit zeigen, so, als beginne hier ein Paradies. Der Samen für all diese Pflanzen kam aus vielen (kirchlichen) Gemeinden in Japan als Zeichen der Solidarität.
Jenseits des Zaunes stehen die Pfirsichpflanzungen in voller Pracht: Erntezeit. Nur bei der ersten Baumreihe sind die Früchte schon geerntet, weiter hinten schimmert die rote Farbe der großen Pfirsiche leuchtend hervor. Sie können verkauft werden und werden gegessen. Auch alles andere Gemüse aus der Region wird gegesen. Viele sind der Ansicht, dass es besser sei, dieses leicht kontaminierten Früchte zu essen als das von Verunreinigungen oder chemischen Stoffen kontaminierte Gemüse aus China (die Zeitungen und das Fernsehen berichten fast täglich). Aber auch die gegensätzliche Minderheitenmeinung habe ich gelesen. Zum Abschied erhalten wir einen großen Karton roter Pfirsiche....
Wir sprechen auch von der Notwendigkeit, den Kindern von Zeit zu Zeit ein Leben ohne "Verstrahlung" zu ermöglichen. Es gibt gerade jetzt im Sommer verschiedene Organisationen, die Camps in entlegenen Regionen Japans veranstalten. Aber bei den Kleinen müssen die Mütter immer dabei sein. Camps für Jugendliche sind einfacher zu organisieren, auch wochenlange Camps wie sie von einigen Organistionen in Europa und USA/Canada angeboten werden. Diese Wochen stärken den allgemeinen Gesundheitszustand, die Widerstandskraft des Körpers gegen das (vielleicht schon im Körper wohnende) Cäsium, das eben nicht ausgeschieden wird.
Nur ein Poblem schimmert bei all diesen Gesprächen durch: für die japanische Regierung, für die internationale Atombehörde und für die Weltgesundheitsorganistion (so wie auch für das Internale Olympische Komitee) gibt es keine unlösbaren Probleme. Wichtig ist für sie auch, dass die AKWs wieder angeschoben werden (gegen das erste in Sendai auf Kyushu wehren sich noch die Städte, die Menschen der Region. Doch wie lange noch?), damit nicht so viel Öl importiert werden muss. Denn gerade jetzt laufen die Kühlaggregate in den Firmen und Häusern auf Hochtouren, so als ob alle AKWs mit voller Kraft liefen. Auf unserer zweistündigen Fahrt durch die Landschaft zwischen Hitachinaka und Fukushima entdecken wir immer wieder große Felder mit Sonnenreflaktoren, die dort die Energie einfangen, wo sie von der Natur gefahrlos zur Verfügung gestellt wird. Diese Bilder vermitteln Hoffnung darauf, dass auch in Japan ein Umdenken beginnt und eines Tages den Alltag bestimmt.