Gastarbeiter aus Korea 1963-2013

 

50 JAHRE KOREANER IN DEUTSCHLAND
Eine lautlose und unsichtbare Minderheit feiert ihr Jubiläum

Koreanische Bergarbeiter in Deutschland

16. Dezember 2013 

Heute jährt sich das 50-jährige Jubiläum des deutsch-koreanischen Anwerbeabkommens. Das Programm zur Beschäftigung koreanischer Bergarbeiter im Steinkohlenbergbau vom 16. Dezember 1963 legte den Grundstein für eine koreanische Migration nach Deutschland.

VON Martin Hyun

Das Goethe Institut in Seoul organisierte ein Symposium mit dem Titel „Von der stillen Migration zur multikulturellen Gesellschaft“, zu der ich eingeladen wurde, einen Vortrag zu halten. Unter den Referenten war die koreanische Parlamentariern mit philippinischen Wurzeln Jasmine Lee und auch der ehemalige koreanische Bergarbeiter, Kwon Yi-chong, der nach seiner Tätigkeit Untertage Professor wurde und den Verein der nach Deutschland entsandten Bergleute und Krankenschwestern gründete.

Die Medien in Deutschland scheint dieses historische Ereignis egal zu sein. Nur für einige wenige Radiosender, die ihr Programm zum 50-jährigen deutsch-türkischen Anwerbeabkommen vor zwei Jahren noch komplett anpassten, ist das Jubiläum der Koreaner wenn überhaupt nur eine kleine Nachricht wert. Stattdessen wird munter über die Hinrichtung des Onkels des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un berichtet. Es ist bedauerlich, dass die Medien mehr Interesse an Themen über Nordkorea zeigen als das Jubiläum der in Deutschland beheimateten Koreaner, dessen Migration nach Deutschland ein Teil der deutschen Geschichte ist. Der Besuch des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy vor 50 Jahren in Deutschland demonstrierte peinliche Hörigkeit und Katzbuckeln gegenüber Amerika. Kennedy wurde in den Medien hoch und runter gespielt. Der Medienhysterie um den 35. Präsidenten der Vereinigten Staaten konnte keiner entgehen.

Die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer, die versprach dem Thema Integration mehr „Schubkraft zu verleihen“ glänzt mit Teilnahmslosigkeit. Aber damit demonstriert Böhmer ihr wirkliches Interesse an dem Thema, nämlich mit Desinteresse.

Was war besonders an der stillen und lautlosen Migration der Koreaner?

Die Besonderheit dieses Anwerbeabkommens und der folgenden „stillen“ Migration lag darin, dass die Anwerbepolitik der Bundesregierung sich eigentlich gezielt auf südeuropäische und damit kulturell nahe „Gastarbeiter“ aus dem Mittelmeerraum richtete. Die Bundesregierung scheute sich vor dem hohen finanziellen Aufwand der koreanischen Praktikanten, sowie der großen kulturellen Differenzen und lehnte demzufolge eine Entsendung ab, obwohl die Bundesregierung zwischen 1957 und 1965 rund 436 japanische Bergarbeiter beschäftigte. Es war schließlich der Druck der Bergbauindustrie, die händeringend nach Arbeitskräften suchte. So wurde aus der anfänglichen politischen Ablehnung eine wirtschaftliche Akzeptanz.

Das Programm zur vorübergehenden Beschäftigung koreanischer Bergarbeiter im westdeutschen Steinkohlenbergbau aus dem Jahr 1963 umfasst 21 Artikel, die die Anwerbung koreanischer Bergarbeiter streng reglementierte. Gleich in Artikel 1 wird das Ziel der Anwerbung erklärt, nämlich „die beruflichen Kenntnisse der koreanischen Bergarbeiter zu erweitern und zu vervollkommnen“. Diese Regelung kam den Koreanern im Jahr der Ölkrise (1973) und den Anwerbestopp von Migranten zu Gute. Denn die Anwerbung koreanischer Bergarbeiter wurde als „technische Entwicklungshilfe“ eingestuft.

Der damalige Arbeitsminister, Walter Arendt (SPD), selber Sohn eines Bergarbeiters, hielt an der weiteren Anwerbung von koreanischen Bergarbeitern mit der Begründung fest, dass er sie wegen der „entwicklungspolitischen Zielsetzung […] für vertretbar hält“.

Sein Nachfolger, Herbert Ehrenberg (SPD) hingegen befürchtete, dass die Zulassung von weiteren koreanischen Bergarbeitern den Anwerbestopp aufweichen könnte und „sich andere Wirtschaftsbereiche, in denen ebenfalls personelle Engpässe auftreten, auf die Zulassung von Koreanern für den Bergbau berufen könnten mit der Folge, dass der Anwerbestopp in nicht vertretbarer Weise unterlaufen würde“.

Doch der mächtige Bergbaukonzern, die Ruhrkohle AG setzt sich mit seiner Forderung durch, weitere koreanische Bergarbeiter anzuwerben. Im zweiten Programm über die Beschäftigung koreanischer Bergarbeiter, vom 18. Februar 1970, wurde festgelegt, dass „bis zu 2.000“ neue Kumpel eingestellt werden können. Die Ruhrkohle AG begründete ihre Forderung damit, dass die koreanischen Bergarbeiter „ausschließlich für den Kohlenabbau in steilgelagerten Flözen eingesetzt werden. Wegen der dort noch überwiegend vorherrschenden Handarbeit und der geringen Flözmächtigkeiten sind besonders handwerkliche Befähigungen und eine erhöhte körperliche Wendigkeit unabdingbare Eignungsvoraussetzungen. Diese zur Sicherung des Betriebsablaufs und zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit unserer Schachtanlage Ewald unbedingt erforderlichen Arbeitskräfte sind leider vom heimischen Arbeitsmarkt nicht zu bekommen“. Im Oktober 1974 forderte der Gesamtverband des deutschen Steinkohlebergbaus, die „festgesetzte Zahl von 2.000 koreanischen Bergarbeitern“ vorübergehend „geringfügig“ zu überschreiten. Dieser Forderung kam die Bundesregierung nach.

Ein Jahr zuvor, im Januar 1973 wurde der koreanische Bergarbeiter Chung Kyung-sup grubenuntauglich. Chung wurde von seinem Arbeitgeber, der Bergbauverein EBV, fristlos gekündigt, mit der Begründung, dass die vereinbarte Tätigkeit, ausschließlich auf eine Beschäftigung Untertage beschränkt war. Erst das Engagement des SPD-Politikers Hermann Dürr erwirkte, dass koreanische Bergarbeiter, die innerhalb ihres dreijährigen Arbeitsvertrages „grubenuntauglich“ werden, eine Tätigkeit „Übertage“ annehmen dürfen.

Vier Jahre später, im Mai 1977, 14 Jahre nach Abschluss des ersten Anwerbeabkommens kam der Arbeitsminister auf die Idee, die Reintegration heimkehrender koreanischer Bergarbeiter zu hinterfragen. Die Zahlen liefert ihm der KODCO-Präsident Dr. Suh In-soo und die waren alles andere als erfreulich. Von den 3.920 zurückgekehrten koreanischen arbeiteten nur noch 260 Personen weiter im Bergbau. Die restlichen 3.660 hatten sich mit den DM-Ersparnissen in Korea selbstständig gemacht z.B. als Taxifahrer mit eigenem PKW oder als Inhaber eines Geschäftes.

Das Ziel, „technische Entwicklungshilfe“ und „berufliche Kenntnisse der koreanischen Bergarbeiter zu erweitern und zu vervollkommnen“, wurde damit gänzlich verfehlt.

 

 

Martin Hyun, 1979 in Krefeld geboren, Sohn koreanischer Gastarbeiter, studierte Politik, International Business und Relations in den USA und Belgien, war der erste koreanischstämmige Bundesligaspieler in der DEL und Junioren Nationalspieler Deutschlands. Im Europäischen Jahr des interkulturellen Dialog 2008 engagierte er sich als Botschafter in Deutschland. Er gehörte dem Leadership-Programm der Bertelsmann-Stiftung an und nahm als ein Vertreter der Koreaner in Deutschland an der Jahreskonferenz 2008 Forum Demographischer Wandel teil, die vom damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler initiiert wurde. Seit 2008 promoviert er zum Thema Arbeitsmigration.