Die Bibel mit den Augen Anderer lesen

ein Projekt der EMS

 

INHALT

Editorial Bernhard Dinkelaker pdf-Datei 
Grußwort Samuel Kobia

Bibel im Gespräch von Gruppen
Bible Sharing Ein Zugang zum Bibellesen aus Südafrika
Marina Dehne

Die Bibel mit den Augen anderer lesen - Erfahrungen einer deutsch-koreanischen
Bibellektüre pdf-Datei

Dorothea Schweizer
Rebecca und der Weinberg. Eine Ghanaerin zu Besuch bei ihren Fellbacher Gastgeberinnen

Luise Plock
Japanische Frauen spüren einer Theologie des Friedens nach Beobachtungen als Begleiterin und Übersetzerin pdf-Datei Siehe auch unten

Mira Sonntag

Lernprozesse

Eine Reise von Fremdheit über Gemeinsamkeit hin zu Veränderung.
Interkulturelles Lernen in Partnergruppen

Gabriele Mayer
Überraschende Horizonte öffnen sich Beim multiperspektivischen und interkulturellen Lernen mit Bibeltexten

Cornelia Hole
Geschlechterperspektive beim Bibelworkshop Unterschiedlichen Bedürfnissen Rechnung tragen
pdf-Datei

Gabriele Mayer

Kontextuelle Schätze

Sang-Seng Wechselseitig Leben geben.
Schätze teilen aus der Perspektive einer Schwesternschaft in Korea pdf-Datei Siehe auch unten

Kim Jeong-Ran
„Up on the mountain top, down in the valley below“. Friedenstheologische Gedanken aus Kamerun

David Mbengu
Suchet der Stadt Bestes Eine indisch-koreanische Perspektive pdf-Datei

Prasada Rao
Einer Theologie des Friedens nachgespürt „Schätze“ eines interkontextuellen Bibelprojektes

Bernhard Dinkelaker

SANG-SENG Wechselseitig Leben geben

Schätze teilen aus der Perspektive einer Schwesternschaft in Korea

Angesichts globaler Herausforderungen sind wir allerdings gezwungen, unseren Erfahrungsschatz aus unseren Kirchen und Gemeinschaften miteinander zu teilen.

Während die Welt immer kleiner und kleiner wird, geraten mehr und mehr Menschen in einen Konkurrenzkampf, in dem „mein Profit aus deinem Verlust resultiert, mein Trost aus deiner Untröstlichkeit erwächst und mein Leben durch deinen Tod möglich wird“.

Wie soll in einer solchen Situation eine friedvolle Gemeinschaft entwickelt werden? Das ist die große Aufgabe, der wir uns gegenüber gestellt sehen.

Zuerst

müssen wir lernen miteinander, Seite an Seite, zu leben. Die Lösung für Konflikte zwischen verschiedenen Nationen, Religionen, Klassen, Geschlechtern und ethnischen Gruppierungen kann nicht dadurch gefunden werden, dass wir uns für die richtige Seite entscheiden und die falsche Seite eliminieren. Wir müssen das Problem von einer umfassenderen Perspektive aus in den Blick nehmen und Möglichkeiten zum Verhandeln von Verschiedenheiten suchen.

Zweitens

müssen wir lernen, uns gegenseitig zu unterstützen. In Korea wie auch in anderen Teilen Ostasiens haben wir ein Konzept „Sang-Seng“, das bedeutet „wechselseitig Leben geben“. Damit ist die eng miteinander verknüpfte gegenseitige Abhängigkeit aller Lebewesen, der Natur und der Dinge gemeint. Was uns dieses Konzept lehrt, ist das Beziehungsnetzwerk aller Geschöpfe Gottes zu verstehen. Wir können unser Leben ändern, sodass unser Handeln anderen hilft; mit anderen Worten: Was gut für uns ist, kann auch gut für die anderen sein.

Drittens

müssen wir lernen, einen genügsamen Lebensstil zu finden. Die Lösung der Probleme aufgrund ungleicher Verteilung von Ressourcen sollte in einfachem Lebensstil liegen; ein Lebensstil, der eigene Wünsche mit einem Minimum an Aufwand zu erfüllen sucht.

Viertens

müssen wir die richtigen Werte wieder finden. Seelische Leere führt zu Abhängigkeiten, egal ob es sich hier um abhängig machende Substanzen handelt oder die Kultur des „immer Mehr“. Wir können dies nur überwinden, wenn wir Sinngebung und Werte in unserer Gesellschaft fördern. Der Ausgangspunkt für eine Korrektur der falschen Werte ist nach Jesaja umzukehren und in Schweigen vor Gott zu sitzen. (Die Schwesternschaft praktiziert drei mal täglich Meditationszeiten im Sitzen).

Angesichts einer solchen Herausforderung sind wir allerdings gezwungen, unseren Erfahrungsschatz aus unseren Kirchen und Gemeinschaften miteinander zu teilen. Es gibt viele Mauern zwischen uns, aber da Gott unter uns ist und uns mit seiner Geistkraft leitet, so hoffe ich, dass dieser Workshop ein Ort sein kann für dieses Miteinander-Teilen und einen Meilenstein für den Frieden setzen wird.

Kim Jeong-Ran,
Oberin der Diakonia-Schwesternschaft in Chonan, Korea
Aus: Die Bibel mit den Augen Anderer lesen, EMS 2007, S.28

 

Japanische Frauen spüren einer Theologie des Friedens nach
Beobachtungen als Begleiterin und Übersetzerin

Im Rahmen des Projektes „Die Bibel mit den Augen anderer lesen“ wurden Gruppen weltweit eingeladen, über ihre Lebenserfahrung mit dem Wort Gottes zu erzählen und ihre Gedanken dazu miteinander zu teilen. Über 80 Gruppen aus verschiedenen Ländern beteiligten sich an diesem Prozess, der mir der erste Versuch zu sein scheint, gläubige Laien in theologische Reflektionen im Rahmen eines ökumenischen Netzwerkes einzubeziehen.

Zwei japanische Frauengruppen meldeten sich zum Projekt an, diskutierten die vorgeschlagenen Bibelstellen und tauschten ihre Einsichten mit einer deutschen Partnergruppe aus.

Eine der beiden japanischen Gruppen gehört einem bestehenden Kreis für feministische Theologie an, die zweite setzte sich aus Mitgliedern der National Federation of Kyodan Women’s Societies zusammen. Wie ihre Aussagen zeigen, hat das Projekt sein erklärtes Ziel erreicht und nicht nur ihr Verständnis der Bibeltexte vertieft, sondern auch ihr aktives Engagement für Frieden.

Für HONDA Noriko von den Kyodan-Frauen war „das Projekt eine gute Gelegenheit, etwas über den Glauben anderer Teilnehmender zu lernen und darüber, wie jede von ihnen versucht, den eigenen Glauben im täglichen Leben umzusetzen. Intellektuell können wir die Lehren der Bibel vielleicht verstehen, wenn es aber darum geht, sie in die Praxis umzusetzen, schrecken wir aus Angst vor den Problemen zurück; eine Haltung, die Gott nicht glücklich macht. Bloße Lippenbekenntnisse entfremden die Menschen von uns. Dann werden wir zu einem Hindernis für Gottes Wirken“ sagt sie.

Durch den Austausch mit der deutschen Gruppe bekam Noriko den Eindruck, dass der Glaube dort bodenständiger sei, vielleicht weil der Glaube in Deutaschland durch viele Generationen genährt wurde. Wie viele japanische Christinnen und Christen ist Honda die erste Person in ihrer Familie, die den christlichen Glauben angenommen hat. Sie hofft jedoch, dass sie ihren Kindern und Enkelkindern einen christlichen Hintergrund geben kann.

HASHIZUME Shizuyo war Mitglied in der gleichen Gruppe und räumt ein, dass „sie es nicht gewohnt war, die Bibel zu einem bestimmten Thema zu lesen, oder zu bestimmten Fragestellungen wie jenen im Arbeitsheft. Die verschiedenen Meinungen und Erfahrungen auszutauschen, war interessant und aufregend,“ sagt sie. Die Tatsache, dass diese alle auf der gleichen Bibel basierten, gab ihr das Vertrauen, dass Christus in jedem von uns lebt, auch wenn Erfahrungen und Meinungen auseinander gehen. Die halbtägigen Treffen innerhalb kurzer Zeitabstände, die immer auch eine gemeinsame Mahlzeit einschlossen, brachten auch ganz unerwartete Segnungen mit sich. „Auch wenn es schön war, mit der anderen Gruppe in Deutschland in Kontakt zu sein, habe ich doch das meiste aus den Treffen mit unserer japanischen Gruppe mitgenommen. Da wir eine so kleine Gruppe waren, konnten wir uns viel besser kennen lernen“, so Alison GRAY von einer feministischen Gruppe, die die Ergebnisse ihrer Studien in einen Tanz verwandelten und auf Video aufnahmen.

NARIMATSU Michiko berührte besonders stark die Demut von Jesus Christus im Philipper-Brief. „Gottes Frieden, das heißt wahre Freude, ist uns geschenkt worden, nicht nur indem wir an Ihn glauben, sondern indem wir mit Ihm leiden. Ich möchte demütig sein wie er. Ich weiß, das ist meine lebenslange, schwere Aufgabe,“ sagt sie.

Alison GRAY von der feministischen Gruppe resümiert: „Die Notwendigkeit für mich, für Frieden in meinen persönlichen, täglichen Beziehungen zu arbeiten und das Wissen, dass jeder Friede daher kommt, dass ich Frieden mit mir selbst finde, waren wichtige Ergebnisse für mich.“

Als ökumenische Mitarbeiterin des EMS nahm ich an beiden japanischen Gruppen teil und unterstützte den Übersetzungsprozess. Es war das intensivste Bibelstudium, das ich jemals mitgemacht habe. Da ich in beide Gruppen involviert war, wurde mir weiterhin klar, dass Schlagworte wie „progressiv“ und „konservativ“ unnütz sind. In Wahrheit drückt die Meinung der Gläubigen, insbesondere zu kontroversen Themen wie offenes Abendmahl, ein viel breiteres Spektrum an Interpretationsmöglichkeiten aus als kirchliche Stellungnahmen, egal von welcher Seite, vorschlagen. Vielleicht war es die Entdeckung einer so reichen Vielfalt innerhalb der eigenen Gruppe, die neues Interesse weckte unter den Teilnehmenden beider Gruppen. „Von Jesu Demut und Geduld zu lernen, könnte mir als Frau der Kirche und als Bürgerin dieser Welt helfen, die Herausforderung anzunehmen, Ansichten und Einsichten mit Frauen anderer Religionen zu teilen,“ sagt Michiko. Zusammen mit SUGIMORI Yoko nahm sie am abschließenden Workshop in Deutschland im Oktober 2006 teil.

Mira Sonntag, ökumenische Mitarbeiterin des EMS,
Studienleiterin am Tomisaka-Zentrum, Tokyo
Aus: Die Bibel mit den Augen Anderer lesen, EMS 2007, S. 15ff

 

Gabriele Mayer
EMS-Stabsstelle Frauen und Gender

Dorothea Schweizer
Frauenwerkstatt Paul-Gerhardt-Gemeinde, Stuttgart
Stellvertretende Präsidentin der EMS-Synode

Mira Sonntag
Ökumenische Mitarbeiterin des EMS
Studienleiterin am Tomisaka-Zentrum TCC, Tokyo

KIM Jeong-Ran
Oberin der Diakonie-Schwesternschaft in Chonan, Korea

Prasada Rao
Ökumenischer Mitarbeiter des EMS (bis Dezember 2006) aus der Kirche von Südindien im Zentrum für MigrantInnen in Dasom, Korea

 

"Gottes Friede" (jap.)