ST2015 - Stimmen aus der EMS

Studientagung im Zinzendorfhaus Neudietendorf
Evangelische Akademie Thüringen, 7.- 9. April 2015
http://ems-online.org/aktuelles/artikel/14-04-2015-erkaempfte-gefaehrdete-gelebte-demokratie/
Siehe auch hier: Hintergrund...

Stimmen aus der Ev . Mission in Solidarität

Wie steht es um die demokratische Zivilgesellschaft in Korea? Eine Frage, die nicht nur die Teilnehmenden der diesjährigen Korea-Tagung beschäftigt

Stuttgart, 13. April 2015
Die Demokratie in Südkorea ist eine Errungenschaft, um welche die Bevölkerung jahrzehntelang gegen die Diktatur gekämpft hat. Ein schrecklicher Höhepunkt: das Kwangju-Massaker. Im Mai 1980 waren in der südkoreanischen Stadt Studierende und Bewohnerinnen und Bewohner auf die Straßen gegangen, um gegen die Militärdiktatur und das verhängte Kriegsrecht zu demonstrieren. Diese Demonstrationen wurden vom Militär blutig niedergeschlagen. „Es ist unvorstellbar schrecklich, was in meiner Heimatstadt passiert ist. Viele Menschen hatten das Gefühl, Gott habe uns verlassen“, erzählt AHN Sung-Ryae, die als Krankenschwester Verletzte versorgt hat. Bis heute ist unklar, wie viele Menschen dem Massaker zum Opfer gefallen sind. Einige Quellen sprechen von bis zu 2.000 Opfern. Dem Aufstand waren viele Verhaftungen gefolgt. Auch der Mann von AHN Sung-Ryae, ein Professor aus Kwangju, wurde als einer der angeblichen Hauptverantwortlichen der Bewegung inhaftiert und gefoltert. Sie selbst wurde auf Schritt und Tritt von fünf Zivilpolizisten verfolgt. Doch das hielt sie nicht davon ab, für die Demokratisierung ihres Landes zu kämpfen. Bis heute schlägt ihr Herz für dieses hohe Gut.

„Wenn ich mir die aktuelle Situation so anschaue, würde mein lieber Mann wohl wieder einen Bart tragen und jeden Tag Schriften veröffentlichen, um die Menschen daran zu erinnern, wie viele Opfer die Demokratisierung gefordert hat und wie groß unsere Aufgabe ist, diese zu schützen und zu erhalten“, so AHN Sung-Ryae. Ihr Mann hatte sich in den 80er Jahren einen Bart wachsen lassen, den er erst nach Erreichen der Demokratie, also nach der Wahl KIM Dae-Jungs zum Präsidenten, schneiden ließ. Wenn sie an das Sewol-Fährunglück, all die Opfer und ihre Angehörigen denke, kämen ihr auch fast ein Jahr danach noch die Tränen und die Wut steige in ihr hoch. Bis heute sei die Ursache des Unglücks nicht geklärt und die Angehörigen vermissten die Unterstützung der Regierung.

Ein weiterer Zeitzeuge aus Kwangju ist der koreanische Künstler HONG Sungdam. Der Kampf für die Demokratisierung seines Landes prägt ihn und seine Kunst bis heute:
Interview1

Mit seiner Kunst kämpft er auch heute noch für die Demokratie in seinem Heimatland, auch wenn ihn sein Einsatz bereits ins Gefängnis gebracht hat. Doch er sieht nicht nur Korea, sondern die gesamte Region Ostasiens von einem brodelnden Konflikt und sogar von Krieg bedroht:
Interview2

„Mit der Gnade Gottes, die mich hoffentlich weiter begleitet, werde ich mit meinen Bildern alles mir Mögliche dazu beitragen.“ Mit diesem Satz beendet HONG Sungdam das Interview bei der von der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS) mitorganisierten Korea-Tagung im Zinzendorfhaus
im thüringischen Neudietendorf. HONG Sungdam hatte am vergangenen Mittwochabend bei der Vernissage seiner Bilder von der alten und neuen Unterdrückung seiner Kunst erzählt und über die Lage im Land berichtet. Als nächstes werden seine Bilder in Berlin in der Ausstellung „Verbotene Bilder: Kontrolle und Zensur in den Demokratien Ostasiens" zu sehen sein (18.04. - 14.06.2015).

Lutz Drescher, EMS-Verbindungsreferent für Ostasien und Indien, ist von der Brisanz der Bilder HONG Sungdams überzeugt – und er ist beeindruckt von der Leidenschaft und dem Engagement des Künstlers und vieler anderer für Demokratie und Frieden in Korea. „Dieser brennende Durst nach Demokratie hat mich in meinem Leben tief geprägt“, erzählt er und erinnert sich an die Jahre 1987 bis 1995, in denen er selbst in Südkorea gelebt hat. Seit dem Wahlsieg der Präsidentin PARK Geun-Hye, die seit zwei Jahren Südkorea regiert, gäben einige Tendenzen Grund zur Sorge: Die Pressefreiheit und das Streikrecht würden eingeschränkt. Außerdem gäbe es Anzeichen dafür, dass die Zahl der Strafverfahren im Namen der nationalen Sicherheit im Wahlkampf angestiegen und soziale Online-Medien manipuliert worden seien. Dennoch ist Lutz Drescher hoffnungsvoll. „Viele kleine Dinge können viel bewegen und das gibt mir Hoffnung für die Zukunft der demokratischen Zivilgesellschaft in Korea.“ Mit einem offenen Brief an Regierende in Korea wollen auch die 50 Mitwirkenden und Teilnehmenden der Korea-Tagung einen Beitrag leisten.

Corinna Waltz