2020: "Niemand darf entwürdigt werden..."
1820 - 2020: 200 Jahre Evang. Landeskirche in Baden
Buß- und Bettag: „Niemand darf entwürdigt werden, weil er bestimmte Erwartungen nicht erfüllt“
Gottesdienst mit Landesbischof ist Auftakt zu Erinnerungsprojekt an 1940 bis 1944 ermordete Menschen an der Johannes-Diakonie
Mosbach. Zum Buß- und Bettag (18. November) hat Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh Christinnen und Christen aufgerufen, sich für Gerechtigkeit einzusetzen, „wenn wieder sortiert wird in die, die dazu gehören, und die anderen“. Niemand dürfe entwürdigt werden, weil er bestimmte Erwartungen nicht erfülle. Das gelte damals wie heute, für Menschen mit Behinderung wie für Flüchtlinge. Im Mittelpunkt des Gottesdienstes in der Johannes-Diakonie in Mosbach stand die Erinnerung an die zwischen 1940 und 1944 ermordeten Opfer der NS-„Euthanasie“, darunter die damals 29jährige Maria Zeitler. Künftig sollen der Maria-Zeitler-Platz und ein gleichnamiger Pfad das Leben und Schicksal der 263 ermordeten geistig behinderten Bewohnerinnen und Bewohner der Johannes-Diakonie greifbar machen.
Der Buß- und Bettag gebe Raum für „das, was wir falsch gemacht haben, persönlich, aber auch als Gesellschaft“, so der badische Landesbischof. Auch wer in die Irre gegangen sei, nicht mehr wisse, wie er herauskomme, oder sich nicht traue, könne sicher sein: „Gott ist da und wandelt mein Herz!“ Es sei manchmal sehr schwer, Gutes zu tun und für Gerechtigkeit einzustehen, gestand Landesbischof Cornelius-Bundschuh ein. Wenn, wie damals, „viele gegen jüdische Menschen hetzen oder Menschen mit Behinderungen ablehnen“, brauche es Mut und Rückgrat. Doch wer daran glaube, dass „jeder Mensch, egal wie groß oder klein, wie stark oder schwach, wie dick oder dünn, wie alt oder jung, Gott am Herzen“ liegt, der und die „lernt wie von selbst, Gutes zu tun“, so Jochen Cornelius-Bundschuh.
Aus der heutigen Johannes-Diakonie waren zwischen 1940 und 1944 263 Bewohnerinnen und Bewohner mit geistiger Behinderung abgeholt und getötet worden. Insgesamt starben durch die sogenannte T4-Aktion des NS-Regimes vor 80 Jahren mehr als 70.000 Menschen mit Behinderung. Am Buß- und Bettag startete der größte Träger im Bereich Behindertenhilfe in Baden-Württemberg nun die Umgestaltung des zentralen Platzes vor der Hauptverwaltung der Johannes-Diakonie in Mosbach. Geplant sind für den Maria-Zeitler-Platz unter anderem Sitzmöglichkeiten und ein Kunstobjekt. Eng damit verknüpft ist der „Maria-Zeitler-Pfad“. Dieser historische Lernpfad informiert in einem Rundkurs an mehreren Stationen über die Geschichte des Dritten Reiches und die Verfolgung von Menschen mit Behinderung – auch aus der Johannes-Diakonie. Besucherinnen und Besucher werden auf dem Pfad von Lotsen-Tandems begleitet. Diese Zweierteams bestehen aus Menschen mit und ohne Behinderung und vermitteln zusätzliches Wissen zur Geschichte der NS-„Euthanasie“. Die Lotsen-Tandems wurden in speziellen Schulungen auf ihre Aufgabe vorbereitet und traten anlässlich des Buß- und Bettages erstmals in Aktion.
Die Johannes-Diakonie ist ein breit aufgestelltes soziales Dienstleistungsunternehmen mit rund 3100 Mitarbeitenden und über 30 Standorten in Baden-Württemberg und gehört zur Evangelischen Landeskirche in Baden. Im Bereich Behindertenhilfe unterhält sie unter anderem 1750 Plätze in gemeinschaftlichen Wohnformen. Hinzu kommen rund 2200 Plätze in Werkstätten und Tagesbetreuungsangeboten. Über die Behindertenhilfe hinaus erbringt die Johannes-Diakonie Leistungen in den Bereichen Gesundheit, berufliche Rehabilitation, Bildung, Jugend- und Altenhilfe.