Okinawa zwischen Krieg und Frieden
Ein Besucher aus Vietnam:
"Okinawa bedeutet in Vietnam die Furcht selbst."
2016: Keine Ruhe im Paradies
Okinawa.
Nach der Oberhauswahl in Japan.
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Keine Ruhe im Paradies
Ferdinand Liefert
Okinawa Yoichi Iha, Gegner der geplanten Verlegung der US-Militärbasis in Okinawa, zieht als Minister für Okinawa und Angelegenheiten der Nördlichen Territorien ins Oberhaus ein.
Ein Blog-Beitrag von-Mitglied Ferdinand Liefert ursprünglich veröffentlicht in der Freitag-Community am 13.07.2016.
Auf der englischen Ausgabe der Homepage der Japanischen Fremdenverkehrszentrale werden Okinawas weiße Sandstrände, die kristallblaue See, das bunte maritime Leben und Schloss Shuri, der frühere Sitz des Königs von Ryukyu, angepriesen. Auf der deutschsprachigen Ausgabe kann man über Okinawa erfahren, dass es in der alten Sprache Okinawas "Churashima" genannt wird, das soviel wie "die schöne Insel" bedeutet.
Für viele BewohnerInnen der südlichsten Präfektur Japans, wo man, wie es weiter über die "schöne Insel" heißt, an "beeindruckenden Sandstränden relaxen, Wassersport betreiben oder Meerestiere beobachten" kann, ist das Leben nicht ganz so idyllisch. Ihr Unmut hat sich nun auch auf die Oberhauswahl am vergangenen Sonntag ausgewirkt.
Insgesamt war der Ausgang der Wahl ein voller Erfolg Shinzo Abes LDP. Zusammen mit den kleineren Parteien und weiteren Kandidaten, die ebenso wie jene einer Änderung der japanischen Verfassung zustimmen, ist ihr nun formal das möglich, was ein lange gehegtes Vorhaben Abes ist, nämlich eine solche Verfassungsänderung tatsächlich anzugehen.
Bereits bei der Unterhauswahl im Dezember 2014 konnte sich die Regierungskoalition aus LDP und Komeito eine dafür nötige Zwei-Drittel-Mehrheit sichern, mit der jüngst erlangten Zwei-Drittel-Mehrheit des Pro-Verfassungsänderungs-Lagers im Oberhaus ist eine weitere Hürde genommen.
Wie schnell eine Änderung der Nachkriegsverfassung, die im Wahlkampf der LDP keine bedeutende Rolle spielte, nun auf die Tagesordnung kommt und ob wirklich auch der pazifistische Artikel 9 der Verfassung zur Debatte stehen wird, bleibt noch abzuwarten.
Jedenfalls ist das, was der Großteil der Opposition befürchtet und wogegen dieser zu mobilisieren versucht hat, nun eingetreten. Die gemeinsame Kampagne von 4 Oppositionsparteien einschließlich der Demokratischen Partei, welche die größte unter ihnen darstellt und der Kommunistischen Partei Japans, ist am Ende nicht im erhofften Maße aufgegangen.
Ebensowenig haben die Versuche pazifistischer und liberal eingestellter Gruppen, wie jene der SEALDs (Students Emergency Action for Liberal Democracy-s), potentielle MitstreiterInnen zum Gang an die Wahlurne zu animieren und vor den Folgen des Erlanges einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Regierungskoalition zu warnen, der Opposition den entscheidenden Stimmenzuwachs beschert.
Seit den Unterhauswahlen ist zwar, was Demonstrationen und Politisierung für die japanische Gesellschaft seit den 80er Jahren angeht, erstaunlich viel geschehen, doch trotz gemeinsamer Anstrengungen war die Zeit seit jenen offenbar zu knapp und das Angebot der Oppositionsparteien auch dieses Mal nicht attraktiv genug.
Viele junge WählerInnen, es durften zum ersten Mal in Japan auch 18- und 19-jährige an Oberhauswahlen teilnehmen, haben für die beiden Regierungsparteien gestimmt, nicht zuletzt, weil sie diese in Wirtschaftsangelegenheiten für kompetenter halten.
Während sich also die Regierungskoalition nun in ihrem bisherigen Kurs, besonders den "Abenomics" bestätigt weiß, dürfte - wenn dies wirklich auf Basis der aktuellen Machtverhältnisse geschehen sollte - eine weitere Stärkung der Rolle des japanischen Militärs auch den USA entgegenkommen.
Schließlich wurde Japan, einer der wichtigsten Partner der USA in der Region, in der Vergangenheit, etwa während des Golfkriegs für seine "Scheckbuch-Diplomatie" kritisiert. Bereits 2001 wurde daher ein Gesetz erlassen, das den Selbstverteiddigungsstreitkräften unter Umständen auch Auslandseinsätze ermöglicht.
Die wohl heftigste Schlacht zwischen den nunmehr verbündeten ehemaligen Kriegsgegnern fand auf jener "schönen Insel", auf Okinawa statt. Die Schlacht von Okinawa forderte nicht weniger als 200.000 Tote. In einer Rede anlässlich des diesjährigen 71. Jubiläums der Schlacht von Okinawa, die Okinawas regierender Governeur Takeshi Onaga am 23.06.2016 hielt, sprach er auch von der Zerstörung des kulturellen Erbes und der kompletten Veränderung der grünen Landschaft der Insel. In jener Friedenserklärung heißt es weiter, die Absurdität des Kriegs könne nicht vergessen werden.
Nach Ende des Pazifikkriegs wurde die größte auf japanischem Boden befindliche US-Militärbasis auf Okinawa errichtet, die noch immer eine Bürde für die Bevölkerung darstellt.
Erst im April ist der Unmut gegenüber der massiven US-Militär-Präsenz durch den Fall von durch einen zivilen Angestellten des Kadena Luftwaffenstützpunktes verübten Vergewaltigung und Mord an einer 20-jährigen Frau noch einmal erheblich aufgeheizt worden. Es fanden wieder Anti-US-Basis-Proteste statt und der, sonst der US-Militärpräsenz gegenüber positiv gestimmte Prmierminister sah sich genötigt, während des G7-Gipfels Barack Obama mit dem Vorfall zu konfrontieren.
In seiner Friedenserklärung wies indes Onaga auf weitere Vorfälle in der Vergangenheit hin. Die Ausgabe der NHK-World-Sendung Today's Close Up vom 18.06.2016 widmete sich ebenfalls dem Vorfall und den Fällen von sexuellen Übergriffen, die oftmals von den Opfern nicht berichtet wurden.
Eine Einschränkung des Alkoholkonsums für US-Militärangehörige konnte die Stimmung auch nicht beruhigen.
Die Sondergesetzgebung, die mit dem 1960 vereinbarten "Status of Forces Agreement" (SOFA) in Kraft trat, geriet nun noch einmal zusätzlich in Kritik. Nach dieser ist es japanischen Staatsanwälten bisher nicht möglich, Angehörige des US-Militärs, sowie deren zivile Mitarbeiter vor Gericht zu stellen, sofern sie ein Vergehen im Dienst begangen haben. In jenen Fällen war bislang die US-Jurisdiktion zuständig.
Die von Justin MCCurry am 20. Mai in der Online-Ausgabe des Guardian geäußerte Vermutung, der oben geschilderte Vorfall könne die seit langem geplante Verlegung der Futenma US-Militärbasis noch verkomplizieren, hat sich bewahrheitet.
Bereits vor zwei Jahrzenhten haben sich Washington und Tokio auf die Verlegung geeinigt, der Großteil der Bevölkerung Okinawas sind, sollte an der Wahl des Ortes festgehalten werden, allerdings dagegen. Sind bei der derzeitigen Lage es vor allem jene Vorfälle, die massive logistische Belastung und der Fluglärm, die Opposition gegenüber der US-Militärpräsenz hervorrufen, so sind es bei den Plänen der Umverlegung die dabei zu befürchtende enorme Umweltzerstörung, die zu breiter Ablehnung führt.
Okinawas Governeur Takeshi Onaga hätte es am liebsten, wenn die US-Militärbasis an einen Ort gänzlich außerhalb Okinawas umziehen würde.
Bei der Oberhauswahl am 10. Juli hat nun die Auseinandersetzung zwischen der Abe-Regierung und Takeshi Onaga der bisherigen Staatsministerin für Okinawa und Angelegenheiten der Nördlichen Territorien Aiko Shimara die Wiederwahl gekostet. Der durch vier Oppositionsparteien unterstützte Yoichi Iha, der als Unabhängiger angetreten ist, konnte das Amt erlangen.
In der Asahi Shimbun heißt es dazu, dass nun durch diese Niederlage der Kabinettsministerin, Onaga und seine Verbündeten zusätzlichen Druck auf die Abe-Regierung ausüben können, die Futenma-Us-Militärbasis außerhalb Okinawas zu verlegen. Schließlich befindet sich nun kein LDP-Mitglied mehr im Parlament, das Okinawa repräsentiert.
(Die Friedenserklärung des Govereneurs von Okinawa Takeshi Onaga ist online in Englisch nachzulesen unter: http://mainichi.jp/english/articles/20160623/p2a/00m/0na/018000c.)
Oder hier bei doam.org