In Memoriam: Eber Hein & Edith ≠
Heinrich Karl Eber
* 18.11.1915 in Heidelberg - † 10.10.2008 in Erfurt
Edith Eber
* 20.07.1916 - † 14.07.1996
Kurzer Lebenslauf:
Als erster Ostdeutscher erhielt Hein Eber 1991 das Bundesverdienstkreuz vom Bundespräsidenten verliehen
Geboren am 18. November 1915 in Heidelberg
Beruf: Schlosser
1935 zum Militär
In Gotha Edith getroffen
1940 Hochzeit
Den Krieg an der Westfront mitgemacht
4 Töchter und 2 Söhne.
18.11.1989 34. Geburtstag
04.12.1989 Stasi-Bezirksverwaltung in Erfurt
1991 Bundesverdienskreuz durch R. von Weizsäcker
18.11.2005 90. Geburtstag
Verstorben 10.10.2008
Aus der Thüringer Landeszeitung
1991 Bundesverdienstkreuz (Wortlaut s.unten)
1992 Bewältigung heißt innere Wandlung - nicht nur Wende
Gespräch der Thüringischen Landszeitung/Tagespost mit dem Erfurter Pfarrer und
Bürgerechtler Heinrich Eber
1995 Die Politik muss Gewissen zeigen
Bürgerrechtler Pfarrer Eber mahnt nach Diäten-Skandal
1995-03-16 Vertrauen der Menschen ist missbraucht worden
Der Erfurter Pfarrer Heinrich Eber mahnt im TLZ-Gespräch die Politiker
zu mehr Bescheidenheit
2005-11-18 Ein Mann der klaren Worte
Heinrich Eber feiert 90. Geburtstag
Ein Garant für klare Worte und Taten
2008 Für Klarheit in Wort und Tat
Erinnerung an Pfarrer Heinrich Eber
Vortrag zu Ernst Faber 27.04.1989 in Coburg
Die Thüringsche Landeszeitung, TLZ.DE, brachte 2010 den folgenden Artikel, den wir in voller Länge zitieren:
Wer verstrickt ist, in die zweite Reihe
von Hans Hoffmeister und Gerlinde Sommer
30.06.2010, 19:55
Bürgerrechtler sagen, die Kirche fragte oft nicht nach Schuld.
Pfarrer i. R. Heinrich Eber erhielt als erster Ostdeutscher das Bundesverdienstkreuz: Bundespräsident Richard von Weizsäcker, der es ihm persönlich mit seiner Frau am 24. Oktober 1991 überreichte, verstand das als ein Signal... Foto: Bundesbildstelle Foto: zgt
Erfurt. Die Menschen in den neuen Bundesländern dürfen nicht einfach zum Alltag übergehen. Sie sollen ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen. Diese Auffassung vertrat der Erfurter Pfarrer und Bürgerrechtler Heinrich Eber im Gespräch mit der Thüringischen Landeszeitung/Thüringer Tagespost am 15. August 1992. Er forderte eine innere Wandlung statt einer Wende, um die DDR-Vergangenheit aufzuarbeiten: Menschen, die verstrickt waren, sollten heute in die zweiten oder dritten Reihe zurücktreten und dort ihr Land aufbauen helfen. Eber kritisierte die Zurückhaltung der Kirche, in ihren eigenen Reihen nach Schuld zu fragen. Jetzt fallen die Probleme den leitenden Leuten auf die Füße, sagte der Pfarrer, der schon 1991 eine Überprüfung aller hauptamtlichen Mitarbeiter angemahnt hatte. Eber, der kurz nach der Wende das Stasi-Archiv in der Erfurter Andreasstraße übernommen hatte, war beim Umgang mit den Akten von Anfang an ein Dreiklang wichtig: Behutsamkeit, weil es sich um Menschen handelte, Sorgfalt, weil man mit Oberflächlichkeit ungeheuren Schaden anrichten konnte, und Sachlichkeit.
Herr Eber, seit Jahren beschäftigen Sie sich mit Stasi-Akten. Prägen diese Einblicke heute Ihr Bild vom Menschen? Ist der Mensch von Natur aus schlecht?
Wenn ich diese Frage so im Raum ließe, wäre es um meine Arbeit und mich nicht gut bestellt. Mit einem vorgefertigten Menschenbild gehen alle Jünger einer Ideologie an ihr Tun. Das Ergebnis mussten wir, die zu früh Geborenen ich denke da an meine grauen Haare bis in die Gegenwart erschreckend erleben.
Das Menschenbild gab wohl die biblische Aussage, doch zum Glück bleibt sie in dieser Frage nicht bei der Diagnose, sie zeigt auch die Therapie auf. Und die kürzeste Formel der Therapie heißt: Jesus Christus. Von wegen der Mensch ist schlecht. Prädikate zu verteilen, ist immer problematisch. Da kann man tiefstapeln, schlecht, schlechter am schlechtesten. Dann kann man Hochstapelei betreiben, gut besser am besten. Das ist natürlich Menschenart, auf diese Art mit einem Problem fertig zu werden.
Mir ist ein Wort von Dietrich Bonhoeffer wichtig geworden: Wer allein ein neuer Mensch werden will, bleibt beim alten. So groß kann die Not gar nicht sein
Das muss man auch bei der Aufarbeitung der Vergangenheit bedenken. Denn was macht uns solche Not in dieser Zeit? Die Uneinsichtigkeit derer, die sich damals auf Gedeih und Verderb ganz vorn sehen wollten. Die törichtsten Selbstrechtfertigungen und einfältigsten Entschuldigungen stehen im Weg, auf dem wir vorankommen wollen im Aufbau unseres Landes. Das ist das Notvolle. Und dagegen, meine ich, muss ein Einsatz gestartet werden. Dann geht es mir nicht um das Menschenbild, das geprägt sein könnte von dem jahrelangen Arbeiten mit den Akten der Staatssicherheit, sondern es geht mir darum, das von der Bibel her gegebene Menschenbild in die Arbeit einzubringen.
Deshalb galt für mich von Anfang der Dreiklang: Behutsam, weil Akten für mich nicht nur ein Stück Papier sind, sondern es sich um Menschen handelt, sorgfältig, weil man mit Oberflächlichkeit einen ungeheuren Schaden anrichten kann, und sachlich. Das heißt für mich: Jetzt sprechen die Aussagen, die hier vorfindbar sind. Und nicht etwa meine Einstellung zu diesem oder jenem, der mir Freund ist oder etwa nicht. Es geht nicht nur darum, dass heute Behörden mit integren Leuten besetzt sind. Sondern der ehemalige IM, der Mensch mit Stasi-Vergangenheit, und nicht nur der, muss im seiner selbst willen Aufarbeitung wollen.
Die Menschen mussten sich im Faschismus anpassen, später im Sozialismus. Ganz frei von Zwängen sind sie auch heute nicht. Welches Maß an Anpassung gestehen Sie anderen zu?
Mit dem Wort Anpassen muss man sorgfältig umgehen. Wir alle, die wir in der DDR bis zum bitteren Ende gelebt haben, mussten uns in irgendeiner Weise anpassen. Ich konnte doch nicht, bloß weil ich Christ bin, links fahren, wenn bei uns Rechtsverkehr festgelegt war. Ich bringe es auf diesen schlichten Nenner. Ich musste, ob es mir schmeckte oder nicht, in der HO einkaufen gehen. Und ich musste mit den Behörden verhandeln, wenn ich ein Anliegen für meine Gemeindearbeit hatte. Aber meine Frau und ich haben jeden Tag neu geübt, den rechten Weg zu finden. Das ging selbstverständlich auf unsere Kosten.
Nie den geringsten Widerstand
Unsere beiden Jungs waren Wehrdienstverweigerer, sie mussten sich ihren Weg gegen alle Widrigkeiten suchen. Sie hätten es sich bequemer machen können. Aber wir haben es durchgestanden, dass uns der Brotkorb höher gehängt wurde. Entscheidend ist, dass man nicht den Weg des geringsten Widerstandes geht. Und wenn Sie von Vergeben sprechen, müssen wir uns darauf besinnen, dass zum Vergeben zwei gehören. Ich sage es jetzt einmal spöttisch: Eine Generalamnestie im ländlichen Sinne ist von Gott her nicht vorgesehen. Auch wenn Christus für unsere Schuld den Weg ans Kreuz ging, Bedeutet dies für mich Erkennen, Bekennen, das wirkt befreiend.
Ich denke: Menschen, die verstrickt waren, sollten heute ihre Fähigkeiten im zurückliegenden Arbeitsfeld einbringen und ihr Land aufbauen helfen.
Das heißt, sie sollen nicht in der ersten Reihe wirken?
Es stünde ihnen gut, wenn sie in die zweite oder dritte Reihe zurücktreten würden. Aber wer kommt schon zu dieser Erkenntnis!
Ich bin in den verschiedensten Evaluierungskommissionen gewesen. Was ich da erlebt habe und erlebe, lässt sich am besten mit Gaucks Worten wiedergeben: Menschen jeder Bildungsstufe lügen bis zum Letzten. Und damit wollen wir etwas aufbauen?
Wenn man in diesem Prozess nicht weiterkommt, führt dies bei den Menschen zu einer Verdrossenheit und dazu, dass die Aufarbeitung verdrängt und nicht gewünscht wird. Die Situation heute wird vielfach verglichen mit der in den Altbundesländern nach dem Krieg. Der Mangel an Aufarbeitung führte später zur 68er Revolte. Sehen Sie historische Parallelen?
Gerade aus dieser Erfahrung heraus haben wir es bitter nötig, nicht einfach zum Alltag überzugehen. Nicht eine Wende, sondern eine Wandlung muss sich vollziehen. Eine Wandlung geht nämlich durch mich hindurch, und dann erlebe ich, wer ich bin, wo ich hingehöre. Dann kann ich mich nicht mehr entschuldigen wie Thüringens Innenminister Böck, wir alle seien doch gebrauchte Menschen.
Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Joachim Gauck, hat beim Evangelischen Kirchentag in Erfurt die Menschen in den neuen Ländern aufgefordert, aus ihrer Lethargie aufzuwachen und ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen...
Gauck spricht Mutmacher
Das ist ein echter Mutmacher-Aufruf. Ich freue mich noch heute, dass der Dom voller Menschen davon widerhallte. Möchten doch alle ihn in ihren Alltag mitgenommen haben und mehr noch weitergeben, Mut machen.
Aber auch die Kirche tut sich mit der Vergangenheit schwer. Da gab es Verdächtigungen gegen den evangelischen Bischof Braecklein. Doch die Kirche in Thüringen wiegelt ab. Was empfehlen Sie ihr?
Ich habe schon 1991 schlicht und einfach empfohlen, alle hauptamtlichen Mitarbeiter überprüfen zu lassen. Dieser Vorschlag ist damals aufgegriffen, von der Synode verabschiedet und in der Kirchenzeitung Glaube und Heimat auch sehr deutlich publiziert worden. Ja, und dabei blieb es zunächst einmal.
Es hat sich nichts getan seitdem?
Im Herbst bei der Synode wurde von den Synodalen die Frage erneut aufgeworfen. Und dann besann man sich langsam, die Dinge anlaufen zu lassen. Hätte man ohne jede Rücksichtnahme zum Beispiel nach Alphabet überprüft, dann wäre B wie Braecklein gekommen, dann L wie Leich. Und wenn dies auch die Kirchenprovinz Sachsen getan hätte für ihren in Thüringen liegenden Bereich und ihren eigenen insgesamt dann hätten sich beide Kirchen viel Verdruss erspart. Jetzt fallen die Probleme den leitenden Leuten auf die Füße.
In welchem Ausmaß muss man bei der Thüringer Kirche Befürchtungen haben?
Wir werden da immer wieder aufs Neue überrascht. Ein Beispiel: Ich habe die Aktenbände eines bedeutenden Erfurter Kirchenmannes durchgearbeitet und ihm dann vorgelegt. Da tauchten dutzendweise Mitarbeiter aller Couleur von ihm auf, die sich als IMs um ihn geschart hatten. Jeder, der in einer Leitungsfunktion tätig war, brauchte sich keine Kopfschmerzen zu machen, dass er nicht umgeben wäre.
Stasi-Akten waren nie verfälscht!
Da tickt ja eine Bombe unter der Oberfläche. Bedarf es nicht irgendwann der Klarheit, welches Ausmaß das hatte?
Wenn die entsprechenden Leitungsgremien den Mut dazu hätten, dann würde ihnen das gut bekommen. Aber stattdessen wird in Kirchenkreisen die Meinung vertreten, die Stasi-Akten seien verfälscht. Man könne ihnen keinen Glauben schenken. ich habe damals schon gekontert: Die Akten sind nicht verfälscht, sie können bestenfalls falsch sein, weil sie Subjektiverfassungen einbringen. Das ist doch etwas ganz anderes.
Aber das Aktenlesen...
... will gekonnt sein. Das schaffen wir nicht mit einem Mal geschwind überfliegen. Dann erleben wir auf einmal, dass ein Führungsoffizier eben doch mit seinem IM echte Beziehungen hatte und ein verblüffend deutliches Treffverhältnis. Was da steht, das kann der Führungsoffizier sich nicht aus den Fingern gesogen haben. Das muss in diesem Gespräch gefallen sein. Der IM mag sich dann herausreden, wie er will. Das ist dann zu hinterfragen. Dabei darf es nicht zu vorschnellen Verurteilungen kommen. Aber all das gehört nicht beschönigt, sondern aufgearbeitet.
Ist es dafür eigentlich nicht schon zu spät?
Zu spät ist es, wenn man gestorben ist.
Warum haben nach Ihrer Ansicht Menschen für die Stasi gearbeitet? Brauchten sie das schützende Dach von Strukturen oder waren sie schlicht und einfach nur gemein?
Die Motivationen sind sehr vielfältig. Bei hauptamtlichen Offizieren merkt man, wie befangen sie waren in dieser Ideologie des Marxismus-Leninismus. Die Tragik liegt darin, dass sie in ihrem Leben nichts anderes gehört oder gesehen haben, nichts anderes hören oder sehen durften. Das ist doch die Not unserer jungen Generation, dass sie nichts anderes kennen durften.
Wir schleppen ein schizophrenes Erbe
Ich habe 1937 gesagt, das Dritte Reich ist zerfallen, bevor der Mensch des Dritten reiches geboren wird. Weil es den einfach nicht geben konnte! Und dann? In der Fortsetzung sollte es doch werden. Denken Sie an meine Äußerung zum Menschenbild. Und deshalb musste unsere Spannung weitergehen. Es ist ein ganz furchtbares Erbe, was wir da mit uns herumschleppen. Das schizophrene Leben. Zu Hause sprach man so, in der Schule so.
Darunter leiden wir alle. Ich erlebe es tagtäglich, wenn ich beispielsweise zur Evaluierungskommission in das Thüringer Innenministerium gehe. Die Menschen winden und wenden sich und merken gar nicht, wie ihnen das schon in Fleisch und Blut übergegangen ist. Wohin soll das führen? Da dürfen wir doch nicht müde werden, zu arbeiten. Aber dazu muss fortwährend das Gespräch in Gang bleiben.
Sie sagen, dass Aufarbeitung Zeit braucht und behutsam vorgegangen werden muss.
Behutsamkeit heißt nicht Verschleppung. Wenn ich ausschließlich sachlich oder sorgfältig wäre, würde ich nur beschriebenes Papier sehen. Die Akten verraten auch, unter welchen Umständen sich etwas ereignet hat. ich bin wirklich kein Freund davon, gleich darauf reinzufallen, wenn jemand sagt, dass er unter Druck zur Unterschrift gezwungen wurde. Der irrt weithin. Ich kann dem Druck auch widerstehen. Sicherlich nicht in jedem Falle, aber oft wäre es möglich gewesen.
Mit der Angst hat der Staat ja gearbeitet...
Man muss sich mal vor Augen führen: Da haben Menschen im Dritten Reich schon den Weg des geringsten Widerstandes eingeschlagen, sind einigermaßen über die Klippen 1945 hinweggekommen und reingerutscht in die SED. Man hat gedanken- und bedenkenlos diesen Weg weiterbeschritten. Die Kinder haben nichts anderes als wieder dieses kennengelernt.
Die Masse ging mit, sie hat sich gängeln, sich gebrauchen lassen. Seit 1989 aber ist es bitter nötig, dass dies bedacht und durchdacht wird. Dabei dürfen wir nicht locker lassen. Über die menschliche Eigenschaft von Verdrängung hat Friedrich Nietzsche etwas Kluges gesagt: Das hast du getan, sagt das Gedächtnis. Das kannst du nicht getan haben, sagt mein Stolz. Endlich gibt das Gedächtnis nach.
Wir sind ein krankes Volk
Genau das erleben wir heute, deshalb sind wir ein so durch und durch krankes Volk. Wir wollen es mal ganz ehrlich stehen lassen, so sieht es aus.
Doch besinnen wir uns auf die betonte innere Kraft. Dann arbeiten wir nicht vergeblich. Greifen dankbar ob dem bisher Erreichten auch die Schwierigkeiten an, räumen mit dem Notvollen der Vergangenheit auf. Dazu lade ich ein.