ST2018 - Tagungsbericht

Studientagung der DOAM
in der Evangelischen Akademie Bad Boll, 3. - 5. April 2018

Eine Renaissance des Nationalismus im Land der aufgehenden Sonne?
Aktuelle politische und gesellschaftliche Entwicklungen in Japan und Ostasien
 
Tagungsbericht

Felix Doege
Bedenklicher Rechtsruck in Japan

Vom 03. bis 05. April 2018 trafen sich Experten sowie Japan-Kenner und -Interessierte unterschiedlicher Professionen in der Evangelischen Akademie Bad Boll zu einer gemeinsam von der Deutschen Ostasienmission (DOAM), der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS), dem Berliner Missionswerk (BMW) und dem Evangelischen Missionswerk in Deutschland (EMW) ausgerichteten Tagung mit dem aktuellen Thema „Renaissance des Nationalismus in Japan“. Die Teilnehmer vereinte die gemeinsame Sorge um Demokratie und Rechtsstaat im Land der aufgehenden Sonne, die sie durch aktuelle politische Ereignisse zunehmend in Gefahr sehen.

Den Anfang machte

der freie Journalist und Asien-Kenner Shi Ming, indem er die Nationalismen Deutschlands, Japans, Chinas und der Koreanischen Halbinsel miteinander verglich und Gemeinsamkeiten und Unterschiede ihrer Merkmale und historischen Entwicklungen auf eindrucksvolle Weise herausarbeitete.

Es folgten weitere Vorträge: Prof. Dr. Eiichi Kido von der Universität Osaka beleuchtete eingehend die Entwicklung des japanischen Nationalismus von seinen Wurzeln bis in die Gegenwart, während die Menschenrechtsverletzungen, die von den geplanten Verfassungsänderungen der Regierung von Premierminister Shinzo Abe (LDP) im Falle ihrer Umsetzung drohen, von Dr. Sanae Fujita (Universität Essex) erläutert wurden. Dabei griff die Referentin eindrucksvoll auf Erfahrungen bei ihrer Arbeit mit Sonderberichterstattern der Vereinten Nationen zurück. Das Performance-Künstlerpaar Mako und Ken Oshidori entlarvte aktuelle Bemühungen der Regierung Abe, die Folgen der Atomkatastrophe von Fukushima, insbesondere die Folgen der weiterhin aus dem havarierten Atomkraftwerk austretenden Strahlung für die in der Region lebenden Menschen, zum „Wohle“ der Nation zu verharmlosen oder zu verschleiern, und übte sich in ebenso bissiger wie amüsanter politischer Satire.

Abschließend wurde der Bogen nach Deutschland gespannt, und die Teilnehmer beschäftigten sich mit der Frage, was Kirchen tun können, um japanische Akteure in ihrem Streben nach Aufrechterhaltung einer demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung in Japan zu unterstützen. Hierzu gab es zunächst eine Videobotschaft von Dr. Naoya Kawakami, Pfarrer und Generalsekretär der Nichtregierungsorganisation Tohoku HELP, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die in den verstrahlten Gebieten lebenden Menschen mit seriösen Informationen zu versorgen und ihnen auf vielfältige Weise zu helfen. Danach formulierten Dr. Carola Hoffmann-Richter (Stv. Vorsitzende DOAM), Dr. Kerstin Neumann (Stv. Generalsekretärin EMS) und Prälatin Gabriele Wulz jeweils ihre Gedanken zu Möglichkeiten der Kooperation mit japanischen Akteuren vor Ort, zu Fragen der Ökumene sowie zu europäischen Perspektiven und interreligiöser Zusammenarbeit.

Die Teilnehmer hatten zudem die Möglichkeit, an Workshops teilzunehmen, um bestimmte thematische Aspekte zu vertiefen. Der Theologe Ferdinand Liefert leitete das Forum zu Christentum in Japan, Prof. Dr. Eiichi Kido bot eine Vertiefung rund um die Themen Verfassungsänderung, Yasukuni-Schrein, Shinzo Abe und Tenno an, während Dr. Carola Hoffmann-Richter den Fokus auf den Umgang des japanischen Staates und der japanischen Gesellschaft mit Minderheiten legte. Paul Schneiss, Ehrenvorsitzender der Deutschen Ostasienmission, ging in seinem Workshop auf interkulturelle Begegnungen zwischen Japanern und Deutschen ein.

Insgesamt bot die Tagung viel Raum für Diskussionen, den die Teilnehmer eifrig nutzten, um neue Perspektiven zu gewinnen und Aspekte von unterschiedlichen Seiten zu beleuchten. Dabei schreckten sie auch vor teils hart geführten, sachlichen Auseinandersetzungen nicht zurück, was der kritischen Betrachtung des Themas äußerst dienlich war. Meditativ hingegen ging es bei den Darbietungen der Musikerin Renkei Hashimoto und der Künstlerin Sachiko Oishi-Hess zu und die Teilnehmer erhielten die Gelegenheit, den Klängen der Komuso Shakuhachi, einer japanischen Zen-Flöte, zu lauschen, den Entstehungsprozess eines Ikebana-Kunstwerks mitzuerleben und an einer Teezeremonie teilzunehmen. So verabschiedete man sich am Ende nicht nur mit vielen wertvollen neuen Einsichten, sondern auch mit einer Vielzahl lebendiger Eindrücke und Begegnungen, die man durch die gelungene Tagung gewonnen hatte.

Felix Doege