2006: Sang-Seng - Wechselseitig Leben geben
Oberin KIM Jeong-Ran
Oberin KIM Jeong-Ran
nahm als Vertreterin der Diakonia-Schwesternschaft in Korea am Bible-Workshop des EMS teil.
Dort sprach sie von
Sang-Seng - Wechselseitig Leben geben
Schätze teilen aus der Perspektive einer Schwesternschaft in Korea.
Angesichts globaler Herausforderungen sind wir allerdings gezwungen, unseren Erfahrungsschatz aus unseren Kirchen und Gemeinschaften miteinander zu teilen.
Während die Welt immer kleiner und kleiner wird, geraten mehr und mehr Menschen in einen Konkurrenzkampf, in dem „mein Profit aus deinem Verlust resultiert, mein Trost aus deiner Untröstlichkeit erwächst und mein Leben durch deinen Tod möglich wird“.
Wie soll in einer solchen Situation eine friedvolle Gemeinschaft entwickelt werden? Das ist die große Aufgabe, der wir uns gegenüber gestellt sehen.
Zuerst
müssen wir lernen miteinander, Seite an Seite, zu leben. Die Lösung für Konflikte zwischen verschiedenen Nationen, Religionen, Klassen, Geschlechtern und ethnischen Gruppierungen kann nicht dadurch gefunden werden, dass wir uns für die richtige Seite entscheiden und die falsche Seite eliminieren. Wir müssen das Problem von einer umfassenderen Perspektive aus in den Blick nehmen und Möglichkeiten zum Verhandeln von Verschiedenheiten suchen.
Zweitens
müssen wir lernen, uns gegenseitig zu unterstützen. In Korea wie auch in anderen Teilen Ostasiens haben wir ein Konzept „Sang-Seng“, das bedeutet „wechselseitig Leben geben“. Damit ist die eng miteinander verknüpfte gegenseitige Abhängigkeit aller Lebewesen, der Natur und der Dinge gemeint. Was uns dieses Konzept lehrt, ist das Beziehungsnetzwerk aller Geschöpfe Gottes zu verstehen. Wir können unser Leben ändern, sodass unser Handeln anderen hilft; mit anderen Worten: Was gut für uns ist, kann auch gut für die anderen sein.
Drittens
müssen wir lernen, einen genügsamen Lebensstil zu finden. Die Lösung der Probleme aufgrund ungleicher Verteilung von Ressourcen sollte in einfachem Lebensstil liegen; ein Lebensstil, der eigene Wünsche mit einem Minimum an Aufwand zu erfüllen sucht.
Viertens
müssen wir die richtigen Werte wieder finden. Seelische Leere führt zu Abhängigkeiten, egal ob es sich hier um abhängig machende Substanzen handelt oder die Kultur des „immer Mehr“. Wir können dies nur überwinden, wenn wir Sinngebung und Werte in unserer Gesellschaft fördern. Der Ausgangspunkt für eine Korrektur der falschen Werte ist nach Jesaja umzukehren und in Schweigen vor Gott zu sitzen. (Die Schwesternschaft praktiziert drei mal täglich Meditationszeiten im Sitzen).
Angesichts einer solchen Herausforderung sind wir allerdings gezwungen, unseren Erfahrungsschatz aus unseren Kirchen und Gemeinschaften miteinander zu teilen. Es gibt viele Mauern zwischen uns, aber da Gott unter uns ist und uns mit seiner Geistkraft leitet, so hoffe ich, dass dieser Workshop ein Ort sein kann für dieses Miteinander-Teilen und einen Meilenstein für den Frieden setzen wird.
Kim Jeong-Ran,
Oberin der Diakonia-Schwesternschaft in Chonan, Korea
Aus: Die Bibel mit den Augen Anderer lesen, EMS 2007, S.28