2015: Symposium in S-Hoffeld - Dr. Glüer

17.11.2015  Symposium für Dietmar Rosenkranz

17. Okt. 1925 - Dietmar Rosenkranz Symposium in Stuttgart-Hoffeld

Der erste Vortrag "DOAM - gestern" stammt aus der Feder von Dr. Glüer, dem langjährigen Geschäftsführer der DOAM und Referent für Ostasien im Evang. Missionswerk in Südwestdeutschland (heute: Evangelisches Missionswerk in Solidarität)
Vergleiche auch den Aufsatz "Die Missionsarbeit in China 1885-1952" in "Spuren.. - Hundert Jahre Ostasien-Mission" (nicht mehr im Buchhandel, aber Exemplare liegen noch bei der DOAM).
Der folgende Aufsatz kann auch als pdf heruntergeladen werden: "Rückblick"


Dr. Winfried Glüer

Rückblick auf die Geschichte der Ostasienmission


Vorbemerkung zur jüngeren Geschichte:

Die Deutsche Ostasienmission (DOAM) geht auf die Gründung des Allgemeinen Evangelisch-Protestantischen Missionsvereins im Jahre 1884 zurück. 1928 ersetzte man diesen Namen durch die geläufigere Bezeichnung Ostasienmission. Die Mitglieder der Ostasienmission fanden sich in den deutschen Provinzen wie auch in der Schweiz und im Elsass. Als Folge des Zweiten Weltkrieges und der Verbrechen des Nationalsozialismus wandte sich der schweizer Landesverband 1945 vom deutschen Teil der OAM ab. Die Verletzungen und Ressentiments waren tiefgehend. Damit entstanden zwei voneinander unabhängige Zweige: die SOAM und die DOAM.ii 1979 fand eine neue Generation den Weg zu einer gemeinsamen Verständigung. Die SOAM und DOAM blieben seitdem eigenständige nationale Körperschaften, aber in enger, freundlicher Verbundenheit.

1. AEPMV/ Ostasienmission 1884 - 1945

Die Ostasienmission wurde erst relativ spät, gegen Ende des 19. Jahrhunderts gegründet. Andere Werke hatten bereits eine lange Wirkungsgeschichte zu verzeichnen. Ihre Gründung geht auf die Initiative des schweizer Pfarrers Ernst Buß zurück. Dieser hatte für die Haager Gesellschaft als Preisaufgabe eine Schrift mit dem Titel: ‚Die christliche Mission, ihre principielle Berechtigung und practische Durchführung,‘ im Untertitel: „zur Vertheidigung der christlichen Religion“ verfaßt, mit der er den ersten Preis gewann. (veröffentlicht: Leiden 1876). Seine Darlegungen fanden ein weites Echo in den kirchlichen und theologischen Kreisen, die sich nicht durch die neupietistischen oder eng konfessionell ausgerichteten Missionsgesellschaften vertreten fühlten. Die Ausrichtung des Missionsvereins war liberal im Unterschied zu dem sogenannten positiven Lager. Nach einer vorbereitenden Sitzung 1883 in Frankfurt kam es 1884 in Weimar zur Gründung des AEPMV.

Die theologische Ausrichtung des AEPMV war nicht exklusiv gemeint. Sie wird im Titel des Vereins durch die konfessionell-offene Bezeichnung Allgemein betont. Die Satzung umschreibt die Aufgabe des AEPMV als: „an seinem Teil mitzuwirken, daß die Erlösung durch Jesus Christus, die Segnung christlicher Gotteserkenntnis, christlichen Lebens und christlicher humaner Kultur immer mehr zum Allgemeingut der Völker wird.“ Es geht um eine weitere Dimension von Mission als bei den neupietistischen, konservativen Gesellschaften, die sich vornehmlich der Rettung und Bekehrung der verlorenen Heiden annahmen.iii Das Programm des AEPMV beschreibt die Aufgabe der Mission: „im besten Sinne des Wortes am Glück und an der Hebung der Völker arbeiten heißt, wenn man ihrer zurückgebliebenen religiösen Entwicklung aufhilft, wenn in ihr krankes Herz gleichsam neues, gesundes Blut eingegossen wird. … sie damit auf die Bahn höherer Gesittung und Kultur zu leiten und die einzelnen aus ihrem religiösen und moralischen Elend zu wecken und zu wahrem Leben aus Gott und in Gott zu führen.“iv Die Bereiche der Zivilisation und Kultur werden in das Missionsverständnis einbezogen.

Auch Gustav Warneck als hervorragender Missionswissenschaftlicher aus den Reihen der der konservativen Missionen hatte durchaus eine positive Aufgabe für die Mission in kultureller Hinsicht neben der „rein r e l i g i ö s e n Seite (Sperrung original) der missionarischen Wirksamkeit“ gesehen. Darum verwahrte er sich zwar vor einer „blinden Culturschwärmerei … den Sohn und das Lamm Gottes zu einer bloßen Culturmission machen zu wollen …,“ aber auch ausdrücklich vor dem Eindruck, „ebensowenig … dem Irrtum Vorschub leisten zu wollen, daß die Gottseligkeit aufgehört habe ‚zu allen Dingen nützlich zu sein.‘“v Buss äußerte sich selbst übrigens 1904 unter dem Eindruck der heftigen Angriffe von konservativer Seite kritisch zu dem zehn Jahre vorher von ihm ausgegebenen Kennwort christlicher Kulturmission.vi

Schon bald nach der Gründung erschienen in der ZMR theologische Abhandlungen zum Missionsverständnis, die durchaus nicht als Befürwortung eines bloßen Kulturprotestantismus angesehen werden können, z.B. unter anderem von Richard Lipsius. Er kam von Schleiermacher her und stand A. Ritschl nahe, somit war er liberaler Theologe, in seinen Ansichten jedoch nicht extrem. Auch in den folgenden Jahrzehnten fühlten sich immer wieder Mitglieder der Ostasienmission unter den scharfen Angriffen von Seiten der Konservativen theologisch missverstanden.

Buß hatte sich in seiner Preisschrift gegen die Methode der traditionellen Missionen gewandt. Ihrer Betonung der Einzelbekehrung setzte er das „System der Erziehung der Menschheit zum Christentum“ entgegen (S. 253f.). Dabei wollte er sich „in erster Linie an die nichtchristlichen Kulturvölker und bei diesen vorab an die höheren Bevölkerungsklassen“ wenden (S. 293). Die besondere Aufgabe sah er in der „Zivilisierung und Humanisierung der außerchristlichen Welt“ (S. 293). Eine Gemeindebildung strebte er nicht an, aber er stellte sich weitsichtig als Ziel, selbständige, von Einheimischen geleitete Kirchen und Gemeinden vor. Darin stand er übrigens auch Warneck nahe.

Die Satzung des AEPMV sah vor, „auf dem Grund des Evangelium von Christus … christliche Religion und Kultur unter den nichtchristlichen Völkern auszubreiten, in Anknüpfung unter den bei ihnen schon vorhandenen Wahrheitselementen.“vii. Es ging bei der Mission um eine Anhebung der Religion und des Kulturstandes auf die Höhe des Abendlandes, das mit dem Christentum die höchste Kulturblüte der Welt darstellte.

Bekannte Theologen und Professoren schlossen sich dem AEPMV an: Adolf von Harnack, Rudolf Otto, Martin Rade, Ernst Troeltsch u. a. Sie begrüßten diese Mission als eine akzeptable Alternative zu den konservativen älteren Missonsgesellschaften. Ihr Einfluß auf das Missionsverständnis des Vereins zeigt sich in den Veröffentlichungen des Vereins der folgenden Jahre. Das Gründungsprogramm des AEPMV hatte breits das Christentum in seinem Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen in einer stufenweisen religiösen Entwicklung der Menschheit gesehen. Dem Christentum wurde dabei im Vergleich mit den anderen Religionen eine höhere Stufe der Entwicklung zugewiesen, nicht allein das, sondern auch der Besitz der Wahrheit schlechthin. Entsprechend hatte Buß in seiner Preisschrift die Absolutheit des Christentums vertreten.

In der Folge bestimmt der geschichtsphilosophische Entwicklungsgedanke der Religionsgeschichtlichen Schule, der schon im Programm des AEPMV anklang, mehr und mehr die theologische Position des Missionsvereins und sein Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen. Ernst Troeltsch wies in seiner Schrift, „Die Absolutheit des Christentums und die Religionsgeschichte“ (1902) die Unmöglichkeit einer Absolutheit des Christentums aus historischer Sicht überzeugend nach. Gleichzeitig gestand er dem Christentum aber faktisch unter den großen Religionen eine einzigartige Stellung zu. Dabei erscheint es ihm als möglich, daß das Christentum in einer weiteren Entwicklung nicht letzter Höhepunkt bleiben müsse. Aber seiner jetzigen Stellung entspricht eine Verpflichtung, seine geistige Kultur in der Völkerwelt zu vertreten. Mission wird so für Troeltsch eine unentbehrliche Aufgabe. Das Christentum muß in der gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Weltsituation verbindende Ideen schaffen. Besonders muß es angesichts der Auflösung alter Kulturen wie in Japan und China, neuen Halt geben und zur Verständigung der Kulturen beitragen. Gerhard Rosenkranz sieht hier bei Troeltsch mit scharfem Urteil eine Begründung der Mission „aus Erkenntnissen der Psychologie, Biologie, und Kulturgeschichte“ mit dem Ziel einer weltumspannenden Kultursynthese. Eine theologische Begründung der Mission gibt es nicht mehr und letztlich wird mit dieser Haltung auch Mission unmöglich.viii

Zu fragen ist, wie weit die einzelnen Mitglieder des AEPMV und ihre Missionare in Übersee sich der radikalen und konsequent durchgehaltenen Position Troeltschs anschlossen. Sie wurde unwidersprochen in der ZMR vorgestellt. Das deutet darauf hin, dass sie insgesamt nicht angefochten wurde, wenn auch einzelne Mitglieder eigene, subjektive Auffassungen der Missionsaufgabe in Anspruch nehmen mochten.ix Hier liegt eine theologische Frage vor, auf die noch zurückzukommen sein wird. [Troeltsch bekannte sich übrigens stets zu dem Gott der Christen und seiner Macht in Jesus.“ (RGG VI, 1962³, Sp. 1047).]

Die Erfahrung des ersten Weltkrieges erschütterte die eurozentrische Selbstsicherheit des Kulturprotestantismus und die dialektische Theologie entzog ihr radikal den Boden. Innerhalb des AEPMV dauerte es allerdings noch längere Jahre, bis eine jüngere Generation die endgültigen Konsequenzen daraus zog. Dies gilt besonders für den schweizerischen Teil des Missionsvereins.

Die alten Missionsgesellschaften hatten sich bereits seit 1872 zu einem ‚Kontinentalen Missionsbund’ zusammengefunden. Dort hatte sich Warneck 1905 gegen die „destruktive (moderne) Theologie“ des AEPMV ausgesprochen. Die heftige Polemik des AEPMV gegen die anderen Missionen war nicht unerwidert geblieben.

Aus dem Kontinentalen Missionsbund entstand 1922 der Deutsche Evangelische Missionsbund. Unter allen anderen Missionsgesellschaften war allein der AEPMV nicht im DEMB vertreten. Gegen Ende der 20er Jahre bemühte man sich im AEPMV darum, die Spaltung unter den Missionen zu überwinden, zumal sich auch auf Seiten der konservativen Missionen Befürworter für ein Ende der der Isolation des AEPMV fanden. Johannes Witte, Direktor des AEPMV und Siegfried Knak, Direktor der Berliner Mission, - beide in Berlin - kamen nach langwierigen Verhandlungen zu einem Vertrauensverhältnis und einem Einverständnis über die mögliche Aufnahme des AEPMV in den DEMB. Auch andere Mitglieder des DEMB waren bereit, dem AEPMV versöhnlich die Hände zu reichen. Im Zentrum der Auseinandersetzungen hatte die theologische Position gestanden, die im 2. Satzungsparagraphen des Kontinentalen Missionsbundes bezeichnet war und in dieser Formulierung in die Satzung des DEMB übertragen wurde: „Der deutsche Evangelische Missionsbund ruht auf der Glaubensüberzeugung (original kursiv), daß allein dem von der Heiligen Schrift bezeugten Evangelium von Jesus Christus, dem um unserer Sünde willen gekreuzigten und um unserer Gerechtigkeit willen auferstandenen Sohne des lebendigen Gottes, die Kraft zur Rettung und Erneuerung der Welt innewohnt." Einzelheiten der theologischen Debatten auf beiden Seiten sind in der ZMR und AMZ zu verfolgen und können hier nicht dargelegt werden.x 1928 hatte der Vorstand des AEPMV diesen Bekenntnisparagraphen übernommen und stellte den Antrag auf Aufnahme in den DEMB. Zugleich änderte der AEPMV seinen Namen in Ostasien Mission. Der Antrag wurde kategorisch abgelehnt – durch Karl Hartenstein. Hartenstein spielte in diesem Zusammenhang eine „fatale Rolle,“ wie Hans-Werner Gensichen bemerkt.xi

Hartenstein hatte sich während der Vorbereitungen einer ‚Aussöhnung‘ zwischen beiden Lagern auf einer Asienreise befunden. Nach seiner Rückkehr wurde er durch eine Veröffentlichung Hans Baurs (Pfarrer der Leonhardskirche in Basel) mit den unveränderten herkömmlichen Positionen des AEPMV konfrontiert und trat deshalb in der entscheidenden Sitzung des DEMB mit einer vorher ausgearbeiteten fulminanten Philippica gegen die Ostasienmission auf. Damit war jegliche Möglichkeit einer Verständigung hinfällig geworden. Erst in den späteren 30er Jahren, nach der Gründung des DEMT wurde die OAM – nunmehr ohne weitere Diskussion - akzeptiert. Die politischen und theologischen Voraussetzungen hatten sich gewandelt. 

Nach der Machtübernahme durch die NSDAP fanden die DC auch in den Reihen der OAM begeisterten Zuspruch. Der ehemalige Direktor, Johannes Witte, der inzwischen Prof. der Religionswissenschaft in Berlin geworden war, hatte sich „endgültig und unwiderruflich“ von der Mitgliedschaft und allen Ämtern in der OAM losgesagt.xii Aus dem Vorstand der OAM folgten ihm auch andere, z. B. in Ostpreußen Erich Vogelsang und W. Brachmann. Brachmann war seit 1929 Missionsinspektor der OAM. Witte allerdings wandte sich rasch wieder von den DC ab. Seine umfassende Schrift über „Die Christus=Botschaft und die Religionen“ (Göttingen 1936) ist ganz und gar im Geiste der Theologie Karl Barths verfasst. Die theologische Position der OAM wurde zu dieser Zeit durch Gerhard Rosenkranz geprägt, dessen Theologie und Missionsverständnis ebenfalls weitgehend von Barth beeinflusst war. Ihm vor allem ist zu danken, dass der deutsche Zweig der OAM im Dritten Reich und nach 1945 theologisch Bestand haben konnte.

Ein Rückblick auf die Periode von der Gründung der OAM bis zu diesem Zeitpunkt zeigt ein breites Spektrum von bürgerlich-christlichem Kultur-Eurozentrismus, z. T. mit glänzenden theologischen Überlegungen und Disputen, eine Geschichte nicht ohne Entgleisungen und letztlich auf beiden Seiten der Disputanten ( besonders um den Bekenntnisparagraphen) nicht ohne beschämende Peinlichkeiten.

2. Die Missionsarbeit des AEPMV/OAM

Die OAM begann sogleich nach ihrer Gründung in China und Japan zu arbeiten.
In Japan wirkte Wilfried Spinner von 1885 an. Japan zeigte sich in der Meiji Ära (ab 1868) offen für Neuerungen, wenn auch gleichzeitig der Grund für den später so verhängnisvollen japanischen Nationalismus gelegt wurde. Die Mission begann ihre Arbeit zunächst in Tokyo und widmete sich vor allem der Gemeindebildung. Während der ersten Jahre nahm die Zahl der Getauften rasch zu, dann aber wuchs die Gemeinde nur noch langsam. Die Hoffnung auf eine „Allgemeine“, nicht konfessionell gebundene Kirche zerschlug sich. So entstand aus der Arbeit des AEPMV eine eigene Kirche: Fukyu Fukuin Kyokwai (Allgemeine Evangelische Kirche). 15 Jahre nach dem Beginn der Mission in Japan ging Otto Schmiedel nach Kyoto. Die Arbeitsweise der Missionare wandte sich der Gewinnung einzelner zu. Darin unterschieden sie sich kaum von der traditionell--konservativen Methode. Jedoch setzten sie theologische Akzente, indem sie Gedankengut liberaler Theologen in Japan vorstellten. In japanischer Übersetzung machten sie Harnacks „Wesen des Christentums“ bekannt. Mit der Anwendung der historisch-kritischen Forschung gaben sie der japanischen Exegese wichtige Anstöße, die sich weit über die Grenzen der OAM auswirkten. Später führten sie Barths theologisches Denken u. a. durch Übersetzungen in Japan ein. Die Missionare wirkten als Lehrer, zeitweilig führten sie ein theologisches Seminar zur Ausbildung von Pfarrern. Es musste aus finanziellen Gründen wieder geschlossen werden. Auch fiel den Missionaren der Dienst als Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinden in Japan zu. Es blieb der OAM nicht erspart, dass sie während der NS-Zeit in Japan von den politischen Spannungen erfasst wurde. Der Einfluss der DC reichte bis nach Japan. Im Jahre 1942 musste sich die Kirche der OAM der staatlich erforderten ‚Einheitskirche‘, dem Kyodan anschließen. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einer Aufteilung der Arbeitsgebiete in Tokyo und Kyoto zwischen der DOAM und SOAM. xiii

In China begann die Arbeit ebenfalls 1885, zunächst in Shanghai. xiv Dort wurde der ehemals durch die Rheinische Missionsgesellschaft nach Südchina entsandte Ernst Faber als Pfarrer der deutschen Gemeinde eingesetzt. Zugleich arbeitete er wissenschaftlich. Er hatte sich gründlich mit den chinesischen Klassikern auseinandergesetzt und war durch seine Publikationen als Sinologe ausgewiesen. 1898 nach der Annexion des Schutzgebietes Jiaozhou (Kiautschou) durch das Deutsche Reich wurde er nach Qingdao versetzt. Dort starb Faber kurz nachdem Richard Wilhelm als junger Missionar eingetroffen war. In Shanghai trat Heinrich Hackmann an seine Stelle, der ebenfalls ein bedeutender Sinologe und Religionswissenschaftler war. Die Arbeit in Qingdao wurde gänzlich von Richard Wilhelm geprägt. Er verzichtete auf unmittelbare missionarische Arbeit und damit auf eine Gemeindegründung, wie bereits von Buß angeregt. Wilhelm richtete ein Krankenhaus ein, gründete eine Internatsschule, das „Deutsch-chinesische Seminar,“ dazu eine Mädchenschule. Das Curriculum der Schule bietet westliche naturwissenschaftliche Fächer, deutsche Sprache, chinesische Sprache, Literatur und Geschichte; in einem anderen Zweig eine kaufmännisch-technische Ausbildung. Die Teilnahme am Religionsunterricht war nicht obligatorisch vorgesehen. Der Besuch von Andachten und Gottesdiensten blieb freiwillig. Schülern, die sich taufen lassen wollen, empfahl Wilhelm, sich den in Qingdao bestehenden Gemeinden anzuschließen. Kritische Anfragen aus dem Vorstand an Wilhelms missionarische Zielrichtung mehren sich.xv Er äußerte sich dazu mit dem Hinweis, dass eine direkte Predigt ohne Vorbereitung in einer chinesischen Umgebung die Hörer nicht erreicht, ebenso wenig wie die wahllose Verbreitung von christlicher Literatur sinnlos ist. Hinsichtlich des Religionsunterrichts verweist er u.a. auch auf Arbeitsbelastung und Zeitmangel. Er will intellektuelle Bildung vermitteln zusammen mit Herzensbildung. Das chinesische Moral- und Gesellschaftssystem befindet sich im Umbruch und Verfall. Er versucht darum, diesem Niedergang mit christlichen Werten entgegenzutreten. Er möchte an die chinesische Tradition Werte anknüpfen und sie mit christlichem Geiste verbinden. Nach den Erfahrungen des Weltkrieges erscheint ihm seine Mission zunehmend problematisch.xvi Es kommt mehr und mehr zu einer Entfremdung zwischen ihm und dem Vorstand des Missionsvereins.

Wilhelm selbst hatte sich neben der praktischen Arbeit unter Berufung auf die Statuten des Vereins besonders der Übersetzung und Interpretation der chinesischen Klassiker zugewandt. Seine Übersetzungen erschienen bei Diederichs (heute Diederichs Gelbe Reihe) und vermitteln zum ersten Mal in deutscher Sprache die chinesische Geisteswelt. Sie fanden ein weites Echo. Nach dem Ersten Weltkrieg verlässt Wilhelm Qingdao und strebt die Gründung eines deutsch-chinesischen Kulturinstituts in Peking an. Diese Pläne zerschlagen sich. 1924 wird Wilhelm Honorarprofessor an der Universität in Frankfurt und übernimmt dort 1927 schließlich einen Lehrstuhl. Aus dem Missionsverein ist er in aller Form ausgetreten.xvii Wilhelm, der von der Theologie und von der missionarischen Praxis her zur Sinologie kam, ist unter Sinologen nicht unumstritten. In letzter Zeit ist er in Akademie Tagungen unter Beteiligung von DOAM als ‚Ikone‘ gewürdigt worden. G. Rosenkranz beurteilt Wilhelms Weg kritisch: Wie der Indologe Hauer (vormals Basler Mission) ist er Religionswissenschaftler geworden und hat mittels „einer tragischen Möglichkeit“ Theologie und Mission hinter sich gelassen.xviii

Nach Wilhelms Ausscheiden führten andere die Arbeit in Qingdao bis 1950 weiter.


3. Eine neue Herausforderung nach dem 2. Weltkrieg: „die chinesische Erfahrung“

Ein tiefer Wandel im missiologischen Denken ist v. a. durch die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg in Asien und Afrika bedingt. Die ‚chinesische Katastrophe,‘ in welche die OAM in Qingdao unmittelbar einbezogen war, hat dabei eine besondere Bedeutung.

Qingdao war 1915 von Japan erobert und blieb japanisch besetzt. Als 1919 Qingdao und Jiaozhou im Versailler Friedensvertrag Japan zugesprochen wurde, war in China die stürmische nationale Welle der Bewegung vom vierten Mai losgebrochen. Im Zweiten Weltkrieges (ab 1937) wurde Qingdao erneut von den Japanern besetzt. Die OAM konnte ihre Arbeit bis 1949 weiterführen. Sie kam mit der kommunistischen Revolution abrupt zum Ende.

Zunächst hatte man gehofft, die weitere Arbeit der OAM dadurch zu sichern, dass sie nicht mehr als deutsche, sondern als schweizerische Mission Anerkennung fände. Aber das Neue China ließ sich nicht darauf ein, irgendwie geartete Formen von „westlicher kultureller Aggression“ – welcher nationalen Herkunft auch immer – zu dulden. Alle Missionare mussten China verlassen. Die OAM verlor ihren gesamten Immobilienbesitz. Die von ihnen geführten sozialen und karitativen Einrichtungen wurden verstaatlicht. Kirchengebäude wurden enteignet, jedoch später z. T. Gemeinden des Chinesischen Christenrates (CCC) überlassen.

Das Ende der Mission in China wurde im Westen vorerst nur in der Sorge um das Geschick der Missionare wahrgenommen. Für die OAM schrieb Wilhelm Seufert, der 1952 ausgewiesen wurde, nüchtern: „Durch die Missionskatastrophe in China eindringlich belehrt, wissen wir heute, daß die Mission sich bewußt und unbewußt an ihrem Auftrag verfehlt hat.“xix Derartige Stimmen waren selten und gingen angesichts der Ereignisse des gesamten Zusammenbruchs in der chinesischen Revolution unter. Zu nennen ist hier die Schrift ‚Barnabas‘, anonym von Canon David Paton publiziert.xx

Das Das Ende der OAM - Mission in Jiaozhou muss in die gesamt-chinesische Erfahrung eingeordnet werden. Es hat noch heute ernstzunehmende Konsequenzen. Diese sind sowohl politischer als auch kirchenpolitisch-theologischer Art. Politisch schlagen sie sich in der Religionspolitik der VR China nieder, die bis heute Religionsfreiheit nur im engen Rahmen der geltenden Ideologie gewährt. Kirchenpolitisch-theologisch ist sie im Verhältnis zum Chinesischen Christenrat und der Patriotischen Drei-Selbst Bewegung wichtig. Beide sind eng mit einander verbunden.

Die Verwicklung der christlichen Mission mit dem Imperialismus und Kolonialismus war von christlicher Seite nicht beabsichtigt. Sie ist aber eine bleibende Hypothek – auch im Blick auf die OAM, die nicht gering eingeschätzt werden darf.

Das gilt nicht nur für China allein, sondern überhaupt für die gesamte Missionsgeschichte der letzten zwei Jahrhunderte.
In der chinesischen Kirche wird die Erinnerung an diese Erfahrung heute bewußt wachgehalten. cf. Die Veröffentlichung von 事前不忘 后事之师, CCC (Beijing 2003). Sie spielt sowohl in der Ausbildung des theologischen Nachwuchses eine große Rolle wie auch in der Gestaltung der ökumenischen Beziehungen des CCC.

Auch die Geschichte der OAM ist mit dem Kolonialismus auf das Engste verbunden. 1898 wurde Jiaozhou der schwachen Qing Dynastie unter Drohungen als Schutzgebiet abgerungen. Die OAM nutzte diese Entwicklung umgehend und begann dort ihre Arbeit. Wenig später wurde Paul Rohrbach von der OAM als “Propagandaredner auf Zeit“ angestellt und war von 1907 – ca. 1916 Mitglied des Vorstandes der OAM. Rohrbach (Lic. Theol.) hatte sich vor und nach dem Herero- Aufstand (1903) Jahre als Kolonialbeamter in SW Afrika hervorgetan. In der OAM nahm er sich insbesondere der Werbung von Finanzen bei der Hamburger und Bremer Kaufmannschaft vor. Diese Spendenaktion brachte insgesamt ca. 45.000 Mark ein und war für die Mädchenschule der OAM und das Faberhospital bestimmt. Rohrbach nutzte dabei u. a. seine Beziehungen zum Reichs-Marine-Amt und zu anderen Stellen und trat im großen Stil in der Öffentlichkeit auf. Seine Anzeigen, Vorträge und Veröffentlichungen zugunsten der Spende waren ganz auf deutsche kulturpolitische Ziele in China ausgerichtet.xxi In den Publikationen des CCC ist der casus OAM bislang kaum hervorgehoben worden, wie überhaupt die kurze deutsche Episode in Qiaozhou nicht im Mittelpunkt der chinesischen Imperialismusdebatte steht. Die Tatsache der Verwicklung der Mission jedoch lässt sich nicht leugnen, wenn auch die OAM nur am Rande steht und Kenntnis von ihr selbst in Qingdao nicht überall anzutreffen ist. Auch ist hier anzumerken, dass die Missionare sich in ihrer Arbeit nicht in aggressiver Weise mit dem Imperialismus und Kolonialismus identifiziert haben.xxii


4. Die Bedeutung der „chinesischen Erfahrung“ für Mission

In keinem anderen Land ist die christliche Mission auf so heftige Abwehr und Widerstände gestoßen wie in China. Das gilt für die röm.-kath. Mission im 18. Jahrhundert wie auch für die evangelische Mission des 19. und 20. Jahrhunderts. Literarische Angriffe auf die Mission sind in China schon früh zu verzeichnen. Sie gingen zunehmend in Übergriffe und gesellschaftlich-politische Auseinandersetzungen über, bis in der chinesischen Revolution die westliche Mission ihr Ende findet und die chinesische Kirche in ihrer Existenz ernstlich bedroht ist. Im Neuen China trug die chinesische Christenheit schwer an dieser historischen Bürde.
Angriffe auf Missionare kamen in China häufig vor. Die Besitznahme von Qiaozhou durch das Deutsche Reich 1898 geht unmittelbar auf die Ermordung von zwei römisch-katholischen Missionaren zurück. Der sog. Boxeraufstand (1900) flammte in den meisten chinesischen Provinzen auf, besonders heftig aber in Shandung, wo das deutsche Vorgehen in frischer Erinnerung geblieben war. Der AEPMV steht somit unmittelbar im Fokus des Geschehens.

1922 breitete sich eine Antichristliche Bewegung wie ein Lauffeuer unter Studenten und Intellektuellen im gesamten China aus. Bis 1927 mussten tausende von Missionaren unter den Drohungen und Übergriffen dieser Bewegung das Land verlassen. Das Christentum wurde als fremde Religion gebrandmarkt. Auf christlicher Seite gründete man den Nationalen Christenrat, um den Vorwurf der Fremdheit zu entkräften. Unter der Ägide des NCC wurden viele der chinesischen Kirchen, die bislang von Missionaren geleitet waren, selbständig. Doch blieb das Stigma der ‚fremden Religion‘ ein gängiges Schlagwort, das die kommunistische Propaganda bis weit in die 50er und 60er Jahre aufnahm.

Was sich in China schon zu Anfang des 20. Jahrhunderts auswirkt, prägt bald darauf auch überall in Asien und Afrika die Situation der Missionen und Kirchen. Viele der ehemaligen Missionskirchen waren schon im Zweiten Weltkrieg zu eigenständigen nationalen Kirchen geworden. Danach aber erreichen die bislang bevormundeten Nationen im Prozess der Dekolonisierung (Indien 1947, Indonesien, Malaya etc.) ihre Unabhängigkeit und es kommt auch zur Selbständigkeit der Kirchen. So vollzieht sich in diesen Ländern wie zuvor schon in China der gleiche Wandel, wenn auch zumeist unter weniger dramatischen oder katastrophalen Umständen, doch ebenso tiefgreifend. (Man denke an die Forderung eines Moratoriums durch John Gatu 1972). Auf Seiten der der westlichen Kirchen und Missionen trägt man innerhalb von zwei Jahrzehnten schließlich der neuen Situation Rechnung: Die großen Weltmissionskonferenzen verstehen Mission nunmehr in dem Parameter von „partnership in obedience“ (Whitby 1947) und in New Delhi 1962 „Integration von Kirche und Mission.“

Das Verhältnis der westlichen Missionen zu den Kirchen in Asien und das Verständnis von Mission als Wesensbestimmung der Kirche Jesu Christi sind damit klar definiert. Auf diesen missionstheologischen Voraussetzungen steht die Arbeit der Missionswerke und der ihr zugehörigen Mitglieder nicht nur in Ostasien.


5. Weiterführung der Arbeit

5.1.1 Integration von Kirche und Mission,
Die Integration von Kirche und Mission ist nicht überall gelungen. Das/die EMS z. B. ist in dieser Hinsicht bei einem Kompromiss stehen geblieben, während z. B. Berlin und Bayern ihre Missionswerke voll in die Landeskirche integrierten.
Wieweit die deutschen Missionsgesellschaften und Kirchen Whitby und Neu Delhi wirklich realisiert haben, ist kritisch zu prüfen. Eine weitergehende Konsequenz wurde erst relativ spät mit der Internationalisierung von Missionswerken gezogen. Wie in Wuppertal (VEM), Neuendettelsau (Mission Eine Welt) und Stuttgart (Mission in Solidarität). Vorher wurde zwar ein partnerschaftliches Verhältnis angestrebt, doch tatsächlich bestimmte das finanzielle Übergewicht der deutschen Missionswerke noch weitgehend die „gemeinsame“ Arbeit. Die vorhandenen Mittel werden jetzt in ökumenischer Entscheidung gemeinsam aufgeteilt. Partielle Vorbehalte bestehen aber immer noch auf unserer Seite (Gehaltstrukturen etc.).

5.1.2 Die Stellung der Missionsgesellschaften
Während in USA usw. die Missionsarbeit ganz von den mainline-churches übernommen wurden, bestehen Basler Mission (BM) und DOAM als Gesellschaften fort. Die Zahl der festen Mitglieder ist nicht sehr groß im Vergleich zum Jahr 1889, fünf Jahre nach der Gründung des AEPMV, als sich 13.600 Mitglieder eingeschrieben hatten! DOAM besteht heute vor allem in Gestalt des Vorstandes.xxiii DOAM ist in die Missionswerke integriert, im EMS seit 1972 in das BMW seit 1974.

Die Integrationsvereinbarungen sehen vor, dass die Überseearbeit der DOAM durch die Missionswerke übernommen wird. Ebenfalls vorausgesetzt wird, dass DOAM in finanzieller Hinsicht nicht mehr selbständig tätig ist. Alle Einnahmen, die für DOAM aufkommen, fließen in den Haushalt der Missionswerke. Das/die EMS ermöglicht seinerseits die Arbeit des Vorstandes.
Nach 1972 übernahmen die Missionswerke die Mitarbeiter in Japan. Sie standen ebenso wie neu entsandte Mitarbeiter in Korea und Japan nicht mehr im Dienst der DOAM, sondern des EMS und des BMW.

5.2 Japan
Die Missionswerke führten die Arbeit der OAM in Japan weiter und setzen sie in Zusammenarbeit mit der japanischen Kirche (Kyodan, NCC und seinen Organen, z. B. mit dem NCC-Studienzentrum in Kyoto) fort. Aus dem Erbe der OAM erwuchs eine besondere Aufgabe in Tomisaka, die nach langen Jahren entsprechend den Konzeptionen von Prof. Satake (zusammen mit Herrn Schneiss) zur Einrichtung des Tomisaka Christian Center führten. Das Zentrum arbeitet eigenständig. Sein Ziel ist eine theologische Aufarbeitung von Fragen aus der gegenwärtigen politischen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Situation in Japan durch Arbeitsgruppen, Veröffentlichungen und Seminaren. Dem Aufsichtsrat des Zentrums (Board) gehören Vertreter des Kyodan und NCC wie auch andere an. Das Tomisaka Christian Center arbeitet nicht unter der der Regie einer der institutionellen japanischen Kirchen. Die Immobilie Tomisaka gehörte wie die Immobilien in Kyoto der OAM, wobei Tokyo (Tomisaka) in die Verantwortung der DOAM fiel. Aufgrund von Regierungsbestimmungen wurde das Grundbesitz Tomisaka unlängst in japanische Hände übergeben, eine späte Verwirklichung des Grundsatzes von ‚partnership in obedience!‘.

5.3 Korea
Die Arbeit in Korea wurde vom EMS begonnen und dann gemeinsam mit dem BMW weitergeführt. Eine persönliche Freundschaft des späteren Vorsitzenden der DOAM, Prof. Ferdinand Hahn mit Prof. Ahn Byung Mu gab den Anlass für die Ermöglichung des Koreanischen Studien-Institutes durch das EMS. Daraus ergab sich die enge Verbindung mit der wenig später gegründeten Schwesternschaft „Diakonia“ und die Unterstützung ihres Einsatzes. Auch diese Arbeit wurde dann durch das BMW mit aufgenommen. Das EMS erweiterte seine Tätigkeit in Korea und nahm über die PROK hinaus eine Partnerschaft zur PCK auf.

5.4 China
Während die Beziehungen des/der EMS zur japanischen Kirche in vielfältiger Wiese weitergeführt werden, ist das „China-Erbe“ der OAM völlig erloschen. Im EMS wurde ab 1979 nach der Kulturrevolution die wiedererstehende chinesische Kirche begleitet. Eine Unterstützung der Amity Foundation und ihrer gesellschaftsdiakonischen Arbeit (einschließlich des Deutschlehrer Programms) ließen sich von 1986 bis in die jüngste Zeit verwirklichen. In letzter Zeit verringerte sich die Kooperation auf einen geringen finanziellen Beitrag an die Amity Foundation. DOAM hat die neue Entwicklung der Gemeinden in der VR China nach 1979 mit Wohlwollen verfolgt. Zur früheren Arbeit in Qingdao bestanden jedoch keine Beziehungen, zumal die chinesische Kirchenleitung argwöhnisch darauf achtet, dass aus früheren historischen Beziehungen keine neuen Abhängigkeiten erwachsen.
Das/die EMS hat die Christenheit in China zum größten Teil sich selbst überlassen. Im Arbeitsbericht über die Jahre 1972 – 2008 wird die intensive Chinaarbeit des Ostasienreferates mit keiner Silbe erwähnt.

Hintergrund dazu ist die Haltung des MR, dem die chinesische Kirche nicht als offizieller Partner angehört. Andererseits sucht auch der CCC nicht die Partnerschaft zu Missionen und Missionswerken, sondern konsequent im Sinne der Integration (Neu-Delhi 1962) zu den Kirchen. Auch ist es dem CCC aus Gründen seiner dünnen Personaldecke nicht möglich, in regionalen Werken eine Mitgliedschaft zu unterhalten. Die Beziehungen zur EKD und zum EMW sowie zum Ökumenischen China-Arbeitskreis sind eingespielt und bewährt. Begegnungen auf der Ebene der regionalen Werke waren häufig möglich und in jeder Beziehung bereichernd.

Das ‚China-Erbe‘ der BM wird innerhalb des/der EMS nicht wirklich vertreten. Es ist einerseits eng mit der kleinen chinesischen Kirche in Hongkong (TTM) verbunden, die im grenzüberschreitenden Verkehr zur Provinz Guangdong rege Beziehungen unterhält, misstrauisch beobachtet von der Kirchenleitung in Shanghai. BMdZ hat Anteil an dieser Beziehung, schon aus historischen Gründen, da die Mehrzahl der Chinamissionare der BM aus Deutschland stammte.

Auf lokaler Ebene besteht in China eine Offenheit für gegenseitige Beziehungen, z. T. entgegen den Überzeugungen und Bestimmungen der Drei-Selbst Bewegung und des CCC. Für die deutschen Kirchen und Missionen ist in Anbetracht des engen Rahmens der chinesischen offiziellen Religionspolitik unbedingt darauf zu achten, dass die geltenden Regeln der „partnership in obedience“ nicht durchbrochen werden. Eine Aufgabe für DOAM im Rahmen der Missionswerke sehe ich darin, nicht die historischen Verbindungen erneut zu suchen, sondern sich der „chinesischen Erfahrung“ zu stellen, die nicht nur für China gilt, wie wir gesehen haben. Dabei ist vor allem darauf zu achten, dass die chinesische Kirche in ihrer sozialistischen Umwelt, in ihrem Zeugnis und anhaltendem Wachstum nicht im Abseits vergessen wird (wie es jetzt den Anschein hat).

5.5 Haltung der Kirchen
Eine Konsequenz der Integration von Kirche und Mission für die Kirchen in Übersee ist, dass die überseeischen Partner eine Abhängigkeit von Missionsgesellschaften ablehnen. Stattdessen suchen sie die direkte Partnerschaft mit Kirchen.
Zu fragen ist, wie die Kirchen in Deutschland sich dazu verhalten. Weithin geschieht dies durch Bereitstellung von Finanzmitteln, die zum größeren Teil aus dem Kirchensteueraufkommen stammen. Einzelne Kirchen unterhalten bestimmte Direktpartnerschaften (die manchmal auch mehr oder weniger zufällig durch persönliche Beziehungen entstanden). Vor allem delegieren sie ihre Verantwortung an die Missionswerke - anders im BMW, das Organ der Berlin-Brandenburgischen Kirche ist.

Die Mission in den Gemeinden zu verankern, ist eine schwierige Aufgabe. die weithin nicht mehr gelingt. Hier lag ein besonderes Arbeitsfeld für die Mitglieder des Vorstandes der OAM und der DOAM. Vor der Integration in die Missionswerke waren die Vorstandsmitglieder unentwegt in den Gemeinden als Prediger und Vermittler der Missionsaufgaben in Japan (und China) tätig. Die württembergische Kirche hat eigens den DiMOe für diese Arbeit eingerichtet und dabei auch Mitarbeiter aus den Partnerkirchen ‚im Gegenverkehr‘ aufgenommen. Aus finanziellen Gründen ist diese Arbeit im Vergleich zu früher stark eingeschränkt. Häufig gelingt es nicht mehr, Gemeinden in die Missionsarbeit einzubeziehen.


6. Theologische Arbeit
Die OAM zeichnete sich in ihrer Geschichte durch intensive theologische Arbeit aus. Diese berührte besonders die Stellung der OAM zu den Weltreligionen. In letzter Zeit ist dieser Gesichtspunkt merklich zurückgetreten. Was ist die theologische Position der DOAM?

Die von Gerhard Rosenkranz vertretene Sicht der Religionen (Karl Barth) ist völlig unbefriedigend. Die frühere Sicht des AEPMV ebenfalls, aber sie enthält einen Ansatz für eine theologisch verantwortbare Aussage – über die in unserem Symposion weiter zu diskutieren ist.
                                                                                                                     Stuttgart, 24. 10. 2015 Winfried Glüer



ii noch deutlich spürbar in dem Beitrag von Karl Suter, Die Zeit der Trennung und des beginnenden Wiederaufbaus
während und nach dem Zweiten Weltkrieg“, in: Ferdinand Hahn, August Bänziger, Winfried Glüer, ed., Spuren, Stuttgart 1984, S.106 -112
iii z. B. cf. die Elberfelder Missionsgesellschaft ( 1799): „Mission unter den Heyden“ in der „ Liebe zum Wohl unsterblicher Seelen, wofür wir uns zu wirken anheischig gemacht haben“ zitiert nach Gustav Menzel, Die Rheinische Mission, Wuppertal 1978, S. 19f.
iv ZMR 1, 1886, S. 1ff zitiert nach Hahn, Das theologische Programm von Ernst Buss, cf. Spuren, S. 13
v G. Warneck, Die gegenseitigen Beziehungen zwischen der modernen Mission und Cultur, Gütersloh 1879, S. V-VIII, et passim
vi G. Rosenkranz, Der Sendungsauftrag der Kirche in Ostasien, Düsseldorf 1956, S. 13 Anm. 24
vii zit. nach G. Rosenkranz, op. cit. S. 14
viii ZMR 1907, S. 162. zum Ganzen: cf. Gerhard. Rosenkranz, Von der Religionswissenschaft zur Religion. Berlin 1937, S. 13 ff.
ix cf. den vermittelnden Vortrag von Martin Rade während der Jahresversammlung 1908: Heidenmission die Antwort des Glaubens auf die Relgionsgeschichte, in: Das religiöse Wunde u. Anderes, Tübingen 1909
x Vergl. Hans Werner Gensichen, Theologische Wandlungen der Ostasienmission in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: Spuren, S. 19 -37; besonders cf.: Heinzgünter Frohnes, „Bekenntnis und Einheit“ in: Christ aus Weltverantwortung in der Herausforderung der Gegenwart, FG für zum 70. Geburtstag von Dr. theol. Gerhard Rosenkranz, ed. Wilhelm Kersten Thiele, Düsseldorf 1966, S. 62 - 109
xi op. cit. S. 34, Anm. 42
xii zit. nach Heyo. E. Hamer, Karl Barth und die Ostasienmission in: Jochanan Hesse ed., „Mitten im Tod vom Leben umfangen“, Gedenkschrift für Werner Kohler, Ffm. 1988, S. 166f. Dort auch Näheres über eine langwierige Auseinandersetzung zwischen Karl Barth und Hans Baur, Präsident des Schweizer OAM Landesverbandes. Unter deren Eindruck und als Reaktion auf kirchenpolitisches Taktieren ‚Dritten Reich‘ sprach Barth von der "theologischen Charakterlosigkeit der Berliner Schweizer Leitung der OAM.“ A.a.O, S. 164
xiii Näheres cf. Heyo E. Hamer, Die Missionsarbeit in Japan 1885 – 1946 in: Spuren, S. 79 - 105
xiv cf. Winfried Glüer, Die Missionsarbeit in China 1885 – 1952, Spuren, S. 61 - 78
xv Wilhelms Schwiegervater bestärkte ihn in seinem missionarischen Konzept, bedauerte aber auch die von Wilhelm „ausgesprochene Tendenz, das Religiöse von der Schule auszuschließen.“ Arthur Rich, ed.: Christoph Blumhardt, Briefe an Richard Wilhelm, Christus in der Welt, Zürich 1958, Brief v.12.11. 1911, S. 238; cf. auch Blumhardts Kirchenkritik - und ihre positive Anwendung auf die Mission S. 124; !57, 164, 257
xvi cf. dazu Walter Mogk, Paul Rohrbach als Organisator der „Hamburg-Bremer Spende“ in: Festgabe, 1966, S. 132ff.
xvii cf. Die Bemerkung von Salome Wilhelm, ed. Richard Wilhelm. Düsseldorf 1956, daß Wilhelm mit seinem Austritt wenigstens eine peinlichen Entlassung durch den Missionsverein erspart geblieben ist.
xviii Gerhard Rosenkranz, Berlin Steglitz 1937, S. 19
xix zum Ganzen cf. W. Glüer, Spuren, S. 62
xx 1951 erschien unter dem Titel „Christliche Verkündigung in China, Barnabas“ anonym eine deutsche Übersetzung im Kaiser-Verlag, ed. Ökumenische Zentrale Frankfurt a. Main
xxi Rohrbach weist auf die anstehenden politischen Veränderungen und die Notwendigkeit von Reformen in China hin und erklärt, „daß die deutschen Missionsgesellschaften allein schon durch die Verwirklichung der religiös-humanen Ideale … auch im Sinne des allgemeinen deutschen Kultureinflusses eine fruchtbringende Tätigkeit ausüben müssen.“ Zitiert nach Walter Mogk, Paul Rohrbach als Organisator der Hamburg-Bremer-Spende in: Christ aus Weltverantwortung…, S. 116
xxii Ein Artikel über die Missions- und Kirchengeschichte Qingdaos in Tian Feng spricht nur von deutschen Lutheranern, ohne auf die OAM einzugehen. 田素良, 百年教堂喜变迁, , in: 天风 Nr. 381, Sept. 2011. S. 12f.
xxiii Ähnliches ist ebenso bei anderen Missionsgesellschaften zu beobachten. Eine Bereitschaft zur Bindung mit einer
festen Mitgliedschaft scheint heute für weite Kreise in den Kirchengemeinden - bei häufig vielseitigem
Engagement - weniger in Frage zu kommen.