2005: 669. Mittwochsdemonstration: Erklärung

Am 10. August 2005

An die japanische Regierung

Vor 60 Jahren, am 15. August 1945, mit der Kapitulation Japans, ging auch in Asien der 2. Weltkrieg zu Ende. Für Korea war es der Tag der Befreiung von der japanischen Kolonialherrschaft und zugleich der Tag, der die Teilung des Landes besiegelte.

Die Erinnerung daran lässt bei der heutigen Mittwochsdemonstration intensiver fragen: Was ging am 15. August 1945 in den Frauen und Mädchen vor, die über Jahre von japanischen Militärs verschleppt, in Baracken eingesperrt, sexuell misshandelt und jetzt „nutzlos“ geworden waren?

Ende des Krieges - Ende der Qual? Ein Gefühl von Befreiung? Wussten sie überhaupt, wo sie sich befanden, an wen sie sich wenden konnten, um den Weg zurück nach Hause zu finden? Wer half ihnen in ihrer unmittelbaren Not?

Viele der Frauen sind von den Militärs auf ihrem Rückzug aus den besetzten Gebieten ermordet worden, um die Spuren der Gewalt zu tilgen.

Viele haben aus Verzweiflung Selbstmord begangen. Berühmt geworden sind die Frauen, die sich im Hafen von Pusan, das Vaterland vor Augen, ins Meer gestürzt haben.

Viele blieben, wo sie waren, orientierungslos, entkräftet, krank, sich selbst überlassen und sind so gestorben.

Wie viele es geschafft haben, nach Hause zurückzukehren, weiß man nicht mal annäherungsweise. Es kann nur ein Bruchteil der 200000 verschleppten Frauen und Mädchen gewesen sein.

Und was erwartete die zurückgekehrten Frauen? Damit sie überhaupt existieren konnten, mussten sie ihre Leiden verleugnen und ihr Leben im Schweigen zubringen, das gezeichnet war von Armut, Krankheit, Einsamkeit. Viele fanden nicht wieder zurück in ihre Familien. Viele blieben kinderlos. Wenn bekannt wurde, was sie durchgemacht hatten, traf sie die Verachtung ihrer Umgebung.

„Als eine lebende Zeugin bringt es mein Blut zum Kochen, wenn ich höre, wie die japanische Regierung ihre Rolle im damaligen System der Zwangsprostitution in Fernsehnachrichten leugnet und sich weigert, die jüngere Generation korrekte Geschichte zu lehren“

Das sagte im Dezember 1991 Kim, Hak-Soon und damit war der Bann gebrochen. Die damals schon 67- Jährige war die erste der überlebenden Frauen, die den Mut hatte, in die Öffentlichkeit zu gehen und damit eine beispiellose internationale Solidaritätskampagne anzustoßen, die ihren Höhepunkt in dem Frauentribunal 2000 in Tokio fand und bis heute dauert.

Viel ist erreicht worden, die Wahrheit ist ans Licht gekommen, doch mit der Haltung der japanischen Regierung können wir uns nicht abfinden:

Noch immer erwarten die Opfer der Gewalt vergeblich von der japanischen Regierung die offizielle Anerkennung des Systems der Zwangsprostitution als schweres Verbrechen gegen die Menschlichkeit und als japanisches Kriegsverbrechen.

Noch immer vermissen die überlebenden Opfer die förmliche Entschuldigung, Reparationszahlungen und die Bestrafung der Verantwortlichen durch die japanische Regierung.

Die Forderung nach einer Revision der Schul- und Geschichtsbücher, nach einem Dokumentations- und Forschungszentrum blieb unerfüllt.

Die Errichtung eines Denkmals und eines Museums für das ehrende Andenken an die Opfer lässt auf sich warten.

Gerade jetzt, zu einem Zeitpunkt, da Japan auf einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der UN pocht, wiederholen wir laut diese Forderungen.

Und dennoch haben wir Grund zur Hoffnung: Wenn heute laut Genfer Konvention organisierte Vergewaltigungen „jederzeit und unter allen Umständen“ verboten sind und als schweres strafwürdiges Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Internationalen Strafgerichtsbarkeit unterliegen, wenn systematischer Missbrauch von Frauen in Lagern in einem Land allein und nicht etwa ein bewaffneter Konflikt - die Voraussetzung ist für den Internationalen Strafgerichtshofs ( inzwischen als ständiger Einrichtung ) tätig zu werden, dabei medizinische und psychische Betreuung und Begleitung auf dem Rechtsweg für die Opfer eingefordert wird, dann ist das unter der Mitwirkung vieler aus anderen Kontexten zuallererst das persönliche und das politische Verdienst der ehemaligen zwangsprostituierten Frauen aus dem asiatisch-pazifischen Krieg, die am Ende ihres Lebens ihr Schweigen brechen konnten, ein historisch einmaliger Vorgang.

Unsere Welt ist nicht besser geworden. Aber der Weg zum Besseren ist von Frau Kim, Hak-Soon und vielen anderen gleichgesinnten Frauen beschritten worden. Er führt zur Herstellung einer weltweiten Öffentlichkeit, zur Ausschöpfung und essentiellen Verbesserung der Rechtsmittel, zu einer allgemeinen Sensibilisierung und einem Vorwissen bei den Frauen, das ihnen die Kraft gibt, sich beizeiten zu wehren.

Irmgard Münzer

Partnerschaftsausschuss Korea in der Rhein-Main-Propstei der EKHN
c/o Irmgard Münzer, Taunusstr.22, 65474 Bischofsheim
Tel. 06144 / 1071, Fax 06144 / 964 867 e-mail: smuenzers@aol.com

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