Meditation

ecce homo

tränen und trauer
sanftmut und schmerz
zweifel und zerbrochenes

hoffnung auf heilung
trotz der narben
denn da beginnt
etwas neues

in jedem ereignis unseres lebens
ist das unglück schon immer da
so auch hier
aber auch die pracht und der glanz
die das schreckliche
lindern

den finger
in die wunde legen
heilen und berühren
da wo es weh tut

der schmerz mag irgendwann
überwindbar sein
aber es bleiben zurück
die narben unseres lebens
auf der haut
auf der seele

passionszeit
ist bedenkzeit

der
der alles trägt
und alles erträgt
wird hier gehalten

nicht auszuhalten
in diesem finsteren moment
wo die tiefe der nacht
und die schatten
alles zu verschlucken drohen

ein licht mahnt
ein fingerzeig von irgendwo
und lässt uns dieses unendliche leid
nicht vergessen

denn
die dunkelheit
hat nicht das letzte wort

der himmel wird geerdet
und die erde gehimmelt
macht und ohnmacht
unten und oben
wechseln die seiten

auf den schoß
aus dem dieses leben kam
kehrt
der erwachsene leblose körper
zurück

maria
hält den
geschundenen leib
geradezu zärtlich
in ihren händen

ihr antlitz
voller trauer
wie ein stummer schrei
herzzerreißend

mutter und sohn
stirn an stirn
eng vertraut
so als könnten sie noch immer
gedanken und wünsche
austauschen

jesu arme
überlang
ausgebreitet

auch jetzt noch
in dieser geste
lädt der gekreuzigte ein
uns
die wir davorstehen

kommt her zu mir
alle
die ihr mühselig
und beladen seid
ich will euch erquicken

ecce homo

Carsten Rostalsky