2011: Stichworte nach einer Korea-Reise

vom 21.7. – 28.7. 2011

Dieser kurze Besuch in Korea fand statt im Anschluss an eine gemeinsam mit Bernhard Dinkelaker unternommene Reise nach Japan.

Zur Vorbereitung der ÖRK Vollversammlung

Bei der Bewerbung Koreas als Austragungsort der nächsten Weltversammlung des ÖRK, die unter dem Thema „Gott des Lebens, weise uns den Weg zu Gerechtigkeit und Frieden" vom 2. bis 13. Oktober 2013 in Busan stattfinden wird, haben die großen Kirchen (Megachurches) der PCK eine entscheidende Rolle gespielt. Der bei ihnen dahinterstehende Gedanke war weniger der, dadurch die Leistungen der ökumenischen Bewegung in Korea zu würdigen als vielmehr, das erstaunliche Wachstum der Koreanischen Kirchen zu zeigen. Dadurch wollen sie auch Einfluss nehmen darauf, dass sich die ökumenische Bewegung stärker der Evangelisation zuwendet. Seither versuchen Kreise in der PCK die Vorbereitung der Weltversammlung zu dominieren, was zu heftigen Reaktionen der anderen Mitgliedskirchen im NCC geführt hat, bis hin zu dem Punkt, dass Methodisten, Anglikaner und PROK mit Zeitungsanzeigen auf diesen Missstand aufmerksam gemacht haben. 

 

Anliegen dieser Gruppe ist es, die konservativen Kirchen zu beteiligen und ihnen z.B. die Gestaltung der Hälfte der Gottesdienste zu überlassen. Dabei wäre aber der NCC, dessen Rolle es in der Vergangenheit war, eine prophetische Stimme zu sein und die bedrängenden Fragen von Menschenrechten, Demokratie und Wiedervereinigung aufzugreifen, eher ein Hindernis. Von Seiten des NCC wird zu Recht behauptet, dass für den Erfolg der Weltversammlung der „Sense of Ownership" aller NCC Mitgliedskirchen entscheidend sein wird. Als Prinzip wäre m. E festzuhalten, dass der ÖRK als ökumenischer Bund verpflichtet ist, die nationale und regionale Ökumene zu stärken und von daher auch aus erleuchtetem Eigeninteresse darauf hinwirken sollte, dass der NCC Träger der Vorbereitung der Weltversammlung ist. Dass dies ohne die NCC Mitgliedskirchen und deren finanzielle Beiträge nicht möglich sein wird, das versteht sich von selbst. Es gibt starke Bemühungen, diesen Konflikt zu lösen und dabei spielen Shin und die Ökumenereferenten der anderen Mitgliedskirchen inklusive der PCK eine wichtige Rolle.

Ob es wirklich gelingt, die konservativen Kirchen stärker einzubeziehen ist insofern zweifelhaft, als sie aus der Ablehnung des ÖRK entstanden sind und dies fast so etwas wie ein Identitätsmerkmal geworden ist. Die PCK hat sich in der Frage des Beitritts zum ÖRK 1959 in zwei Hälften gespalten. Die Ablehnung des ÖRK, der als kommunistisch unterwandert und synkretistisch gilt, ist bei der konservativen PCK Donghap nach wie vor stark. Auch dies ist eines von vielen Beispielen dafür, dass in Südkorea selbst der (kalte) Krieg noch nicht vorüber ist und viele Diskussionen ideologisch überschattet sind. Immerhin sind die Pfingstkirchen auch Mitglied im NCC und von daher bei der Vorbereitung der ÖRK Vollversammlung mit im Boot. Es wird spannend sein abzuwarten, ob und wie sich ihre Beteiligung auch in der Gestaltung der Vollversammlung auswirkt.

Auch die Jugend (eyc; KSCF) wird sich aktiv an der Vorbereitung beteiligen und hat insbesondere auch Interesse an dem „Peace Train", der via Transsib von Berlin über Nordkorea bis nach Pusan fahren soll. In einem intensiven Gespräch mit der Jugend ging es auch um ihre Kritik an den Kirchen, deren Hauptziel es sei, neue Kirchenmitglieder zu gewinnen und weniger, Menschen zu Jüngern Jesu zu machen.

Nicht zuletzt wird derzeit auch die Frage behandelt ob es in zwei Jahren zu einer Teilnahme des Nordkoreanischen Christenbundes kommen wird und ob eine darüber hinausgehende Beteiligung von Seiten des Nordens möglich wird. Viel wird dabei abhängen von der politischen Großwetterlage und auch von den Präsidentschaftswahlen Ende 2012.

Nationaler Kirchenrat (NCC) und die humanitäre Hilfe für Nordkorea

Dass der NCC im Mai das Verbot, humanitäre Hilfe für Nordkorea zu leisten unterlaufen hat und mit Hilfe der chinesischen Amity Foundation (einer christliche Diakoniestiftung see: http://www.amityfoundation.org )172 Tonnen Mehl nach Nordkorea geschickt hat, ist in sämtlichen südkoreanischen Medien berichtet worden. Diese in ihrem Charakter zeichenhafte Handlung hat so etwas wie eine Katalysatorenwirkung gehabt. Auch andere Gruppen haben seither begonnen, lautstark zu fordern, dass dieses Verbot gelockert wird. Dieser nachdrücklichen Forderung hat die Regierung inzwischen nachgegeben und so konnten verschiedene Nichtregierungsorganisationen, unter ihnen auch die katholische Kirche, am 27. July 400 t Mehl nach Nordkorea liefern. Auch das Ecumenical Forum plant eine weitere Lieferung und hat das EMS gebeten, sich daran zu beteiligen. Dieser Appell hat insofern an Gewicht gewonnen als die katastrophalen Regenfälle an den letzten beiden Tagen meines Aufenthaltes (innerhalb von zwei Tagen die dreifach Menge an Regen wie in Stuttgart im ganzen Juli) auch in Nordkorea große Zerstörungen angerichtet und zu einem teilweisen Verlust der Ernte geführt haben.

Dass die angedrohten Strafen für den NCC nicht erfolgt sind liegt daran, dass der NCC die Lieferung nicht selbst durchgeführt, sondern eine Spende in Höhe von ca. 100.000 US$ an die Amity Foundation geschickt hat, die dann ihrerseits die Hilfslieferung als solche organisiert und durchgeführt hat. Es ist überhaupt ein hoffnungsvolles Zeichen, dass es zu dieser Form, der Kooperation zwischen koreanischen und chinesischen Einrichtungen kommt, zumal es seit Ende der 90er Jahre Stimmen gibt, die die Gründung einer solchen Stiftung auch als möglichen Weg für den Christenbund in Nordkorea empfehlen.

Evtl. wird im September des kommenden Jahres eine Reise der am ökumenischen Forum Beteiligten nach Nordkorea möglich, was Gelegenheit bieten würde, an bisherige Beziehungen anzuknüpfen.

LEE Hunsam, der als Referent der Kommission für Gerechtigkeit und Frieden im NCC arbeitet, berichtete von einigen weiteren Themen, von life concerns, an denen er derzeit arbeitet:

• Streiks in einer großen Schiffswerft und bei zwei Banken.

• Die Aufklärung, ob und in welchem Maße die US Streitkräfte im Koreakrieg Agent Orange eingesetzt haben.

• Die Frage der Pressefreiheit, die insofern in Gefahr ist, als große Zeitungen ihre eigenen Fernsehsender einrichten wollen und dabei auch direkt Platz für Werbung vermarkten können, Bisher gibt es eine eigene Werbegesellschaft, die für alle Fernsehsender treuhänderisch Werbung einkauft und dadurch auch ein gewisse Unabhängigkeit der Sender von den Interessen der großen Konglomerate Samsung, Hyundai, u.a. garantiert.

Die geplante Marinebasis auf der Insel Jejudo

Die Menschen auf der Insel Jejudo haben ähnlich wie die Menschen auf Okinawa in der Vergangenheit viel Leid ertragen müssen. Ein Drittel der Bevölkerung wurde bei Auseinandersetzungen ab 1948, an der auch US Truppen beteiligt waren, ihres Lebens beraubt. Erst 40 Jahre später ab 1988 begann man öffentlich über die damaligen Vorkommnisse zu sprechen bis dann schließlich Anfang dieses Jahrtausends der damalige Präsident KIM Dae Jung eine Kommission einsetzte, die die Vorfälle untersucht hat. 2004 wurde schließlich eine Gedenkstätte eröffnet und Präsident ROH Moo Hyun hat sich bei der Bevölkerung Jejudos entschuldigt und diese Insel zu einer „Insel des Friedens" erklärt. Allerdings ist dieser Frieden nun bedroht, insofern als das Militär die Errichtung einer großen Marinebasis im Dorf Gangjeong plant. Der Bau dieser Basis wird auch große Umweltschäden verursachen und Versuche, Jejudo zu einem „Weltnaturerbe" erklären zu lassen, zunichte machen. Ihre strategische Bedeutung liegt weniger in der Verteidigung Südkoreas gegen Nordkorea, sondern in der Überwachung und Sicherung von Schifffahrtsrouten. Außerdem wird in Ostasien die zunehmende Stärke Chinas mit Sorge betrachtet.

Seit vier Jahren wehrt sich nun die Bevölkerung gegen den Bau. Wie mir der Bürgermeister des Dorfes sagte konnten sie die vielen Jahre nur durchhalten, weil ihr Widerstand absolut gewaltlos war.

Mein Besuch gemeinsam mit LEE Hunsam, Referent für Frieden und Gerechtigkeit beim NCC, war seit dem Missionsrat geplant, kam aber genau zur rechten Zeit. Inzwischen ist das riesige Gelände von einem meterhohen undurchsichtigen Zaun abgeriegelt mit Ausnahme der Orte, an denen die Bevölkerung Tag und Nacht, in Zelten schlafend, das Gelände bewacht. Inzwischen waren Polizeieinheiten auch vom Festland zusammengezogen worden und es wurde jederzeit mit der Räumung gerechnet. Nachdem schon von einigen Monaten CHOI Sung-Hee, die im Mai 2010 Gisela Köllner begleitet hat, verhaftet wurde ist am 15.July auch Dr. SONG Kang Ho festgenommen worden. SONG Kang Ho gehört zur PCK, hat in Heidelberg promoviert und mit seiner Familie regelmäßig an den Tagungen des EMS teilgenommen. Er ist Gründer von Frontiers, einer Organisation, die junge Menschen zu Friedenseinsätzen ausbildet und entsendet. Ich war sehr froh, dass ein von Pfr. SUH Song Whan geplanter Besuch im Gefängnis so verlegt werden konnte, dass ich zusammen mit fünf anderen daran teilnehmen konnte. Durch Gitter und eine doppelte Glaswand voneinander getrennt, konnten wir uns für genau10 Minuten mit Hilfe von Mikrophonen und kleinen Lautsprechern miteinander unterhalten. Um Zeit zu sparen hat SONG Kang Ho einige Dinge, die ihm wichtig sind aufgeschrieben und während wir uns unterhielten, haben andere fleißig abgeschrieben. Wieder einmal war ich beeindruckt von dem auch durch Haft nicht zu beugenden Willen zum Widerstand, der mir bei Koreanischen Freunden immer wieder begegnet ist.

Am Ende meines Aufenthaltes konnte ich auf dem Weg zum Flughafen noch bei einer Pressekonferenz, die von „Frauen für den Frieden" organisiert war und in den Räumen der einflussreichen „Peoples Solidarity for Participatory Democracy" (Sprecherin Prof. CHUNG Myung Baek) stattfand, mitwirken.. Außer mir waren vier Hochschullehrer aus den USA die sich mit Friedensfragen bzw. der Lage auf der Koreanischen Halbinsel und mit Koreanisch - US amerikanischen Beziehungen beschäftigen und zwei Vertreter der Koreanischen Friedensbewegung beteiligt.

Nachtrag: SONG Kang Ho kam nach wenigen Wochen wieder frei. Am 1. September wurde die Menschen, die Widerstand geleistet haben von starken Polizeikräften vertrieben, die Mauer geschlossen und inzwischen mit den Bauarbeiten begonnen. Mehr dazu in einem Artikel von Gisela Köllner, zu finden auf der DOAM Homepage unter:

http://doam03.wordpress.com/2011/09/09/cheju-do-insel-des-friedens/

Ecological Community Movement Center (ECMC)

Intensiv habe ich im PROK Office mit Pfr. LEE Kil Soo und Pfr. KANG Song Ku vom ECMC über ihre Arbeit und den bevorstehenden Einsatz von Karina Schuhmacher als ökumenische Mitarbeiterin von EMS und mission 21 gesprochen.

Um die ökologische Bewegung zu „erden", die ansonsten auch stark politische Züge trägt (z.B. Widerstrand gegen das „4-Flüsse Projekt"), besteht ein großes Interesse an der Einführung des Ökoaudit für einzelne Gemeinden.

Es gibt bereits als konkreten Aufruf zum Handel „10 ökologische Gebote", in deren Einführung zu lesen ist, dass pro Person in Korea täglich 33,6 Kg CO² entstehen, von denen einiges eingespart werden kann. Es wird auch jeweils deutlich gemacht, dass die Befolgung der Empfehlungen zu konkreten finanziellen Einsparungen führen kann, die dann wiederum für nachhaltige Entwicklung eingesetzt werden können.

Bei den 10 ökologischen Geboten geht es um:

1. Vermeidung von Nahrungsresten
2. Verwendung von Recycling Papier
3. Verwendung eines Einkaufskorbes
4. Erhöhung der Temperatur um ein Grad bei Nutzung einer Klimaanlage
5. Bei Nichtgebrauch der Stecker raus!
6. (Eigene) Tassen statt Papierbechern
7. Nutzung der öffentlichen Transportmittel
8. Konsum von regional erzeugten Lebensmitteln
9. Direktvermarktung lokal erzeugten Lebensmittel (Verbindung von Produktions- und Konsumgenossenschaften, städtischen und ländlichen Gemeinden).
10. Verringerung des Fleischkonsums

Wir haben intensiv über die Anfangsphase von Karina Schumacher gesprochen: die Verortung in einer Gemeinde, in der genügend Menschen englisch sprechen und in der sich evtl. auch eine englischsprachige Bibelgruppe trifft; über Orientierung und Sprachkurs.

Bei vielen Englisch oder Deutsch sprechenden Kolleginnen und Kollegen habe ich ihr Kommen angekündigt und dabei den starken Eindruck gewonnen, dass man sich darüber freut, dass wieder jemand aus Deutschland in der PROK mitarbeiten wird.

Koreanisch-Indische Beziehungen (KorInd Mission).

Seit dem Einsatz von Rev. Prasada als ökumenischem Mitarbeiter des EMS aus Indien bei der PCK sind lebhafte koreanisch-indische Beziehungen entstanden. So wurden inzwischen mit je ca. 4000.-€ Unterstützung aus der PCK und mit lokalen Mitteln fast 200 Kirchen in ländlichen Gemeinden gebaut und auch der Bau einer großen Kapelle für das Andhra Christian College (Hyderabad) durch die großzügigen Spende von weit über 100 000.-€ eines einzelnen Ältesten aus Pusan möglich. Auf Koreanischer Seite hat sich „KorInd Mission" als loser Zusammenschluss von Einzelpersonen und Gemeinden gebildet. Auf indischer Seite nimmt Prasada die Rolle einer Verbindungsperson ein.

Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderungen

Beeindruckend war die Begegnung mit Prof. OH Kil-Su, der schwer körperbehindert auf die Welt gekommen ist und auch sein eigenes Schicksal dadurch bewältigt, dass er sich unermüdlich für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderungen einsetzt. Dies tut er als Professor am Human Service Department der Hanshin Universität. Er hat aber auch ein Zentrum gegründet, an dem an der (Weiter-)Entwicklung von technischen Hilfsmitteln für Menschen mit Behinderungen gearbeitet wird und solche Hilfsmittel im Jahr auch im Durchschnitt für 5000 Menschen zur Verfügung gestellt werden. Gegründet hat er auch ein weiteres Projekt, in dem Menschen mit Behinderungen ausgebildet und befähigt werden in der Landwirtschaft mitzuarbeiten. Da in diesem Bereich ein großer Arbeitskräftemangel herrscht werden so Menschen in die Lage versetzt, sich ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Erst unter der Regierung ROH Moo Hyuns (2003-2008) wurden im staatl. Haushalt die Mittel für Soziales stark erhöht und solche Arbeit möglich. Prof. Oh kommt für ein Forschungssemester nach Deutschland und eine Vernetzung mit Diakonischen Einrichtungen im Bereich der EMS Mitgliedskirchen ist im Gange.

Frauen und Genderfragen

KO Ae Shin, Generalsekretärin der PCK Women's Minister Association, berichtet, dass obwohl die Frauenordination erst 1995 eingeführt wurde, es inzwischen immerhin ca. 1300 Pfarrerinnen gibt, fast 10% der gesamten Pfarrer(innen)schaft. Neben speziellen Fortbildungen für Pfarrerinnen besteht die Haupttätigkeit darin, in den einzelnen Gemeinden und Presbyteries darauf hinzuwirken, dass weitere Frauen zu Ältesten ordiniert und in die Synode entsandt werden damit ihre Repräsentationsquote sich von derzeit 1% kräftig erhöht.

Der Gruppe „Women making Peace" Anfang der 90er Jahre gegründet und eine der letzten von EZE damals unterstützten Organisationen, bin ich bei der Pressekonferenz auch wieder einmal begegnet.