2014: Ev. Kirche in Baden auf dem Weg zur Friedenskirche

Die Synode der Evangelischen Landeskriche in Baden beschloß den folgeden Text:

 

Montag, 4. November 2013 09:14
Badische Landeskirche-Beschluss vom 24.10.13, aus der pdf-Datei kopiert
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Beschlüsse 3.1 und 3.2.docx Seite 1 von 7

3 KONKRETIONEN – BESCHLUSS DER LANDESSYNODE DER EVANGELISCHEN
LANDESKIRCHE IN BADEN

3.1 KIRCHE DES GERECHTEN FRIEDENS WERDEN

Das Engagement für den Frieden lebt aus Gebet und Gottesdienst. Das Gebet für den Frieden in der Welt ist Bestandteil vieler Gottesdienste. Daneben sind die jährliche ökumenische Friedensdekade und der internationale Gebetstag für den Frieden (21. September) Anlässe, an denen Friedensgottesdienste auch in Zukunft gefeiert werden sollen. Für Frieden und Versöhnung einzutreten gehört zum Kern des kirchlichen Zeugnisses. Dieses Zeugnis kann nicht nur in die gesamtkirchliche Verantwortung delegiert werden, sondern verlangt dauerhaftes Engagement auf allen kirchlichen Ebenen. Die Kirche wird in der Öffentlichkeit als ethische Instanz gesehen und es wird zu Recht erwartet, dass sie Stellung bezieht zu Gewalt, Unrecht und Verfolgung.

In der Beschäftigung mit der Friedensethik ist uns bewusst geworden, dass wir dem Friedensthema zu wenig Beachtung geschenkt haben und nicht genug um Frieden ringen.
Wir fragen zu wenig, inwieweit unser Lebensstil und unser Konsumverhalten zur Verschärfung von Konflikten beitragen und Kriege zur Folge haben können. Wir nehmen nicht eindeutig genug Stellung, wenn Menschen durch Gewalt bedroht und verletzt werden. Wir setzen uns zu wenig dafür ein, dass Konflikte auf gewaltfreiem Weg beigelegt werden.

Wir wollen uns der Verantwortung für Gerechtigkeit und Frieden stellen und bitten Christinnen und Christen auf allen Ebenen unserer Landeskirche, die nachfolgenden Impulse und Empfehlungen in ihrem eigenen Umkreis - ihren Möglichkeiten gemäß - umzusetzen.

1. Die Landessynode verpflichtet sich, mindestens einmal im Laufe einer Amtsperiode das Thema „Frieden“ auf ihre Tagesordnung zu setzen und zu prüfen, welche Schritte in der Landeskirche hin zu einem gerechten Frieden bisher gegangen wurden, was zu bestärken, was zu korrigieren und was neu auf den Weg zu bringen ist.

2. Kirche hat den Auftrag, die Stimme des Evangeliums vernehmbar werden zu lassen. Die Landessynode bittet den evangelischen Oberkirchenrat, in regelmäßigen Gesprächen mit Verantwortlichen in der Politik die Friedensbotschaft der Bibel zu Gehör zu bringen, kritisch auf die Einseitigkeit militärischer Optionen hinzuweisen und die Begründung der zahlreichen Auslandseinsätze der Bundeswehr zu hinterfragen.
Ebenso sollen Entwicklung und Umsetzung gewaltfreier Konzepte und Instrumente der Prävention, der Lösung von Konflikten und der Friedenskonsolidierung immer wieder ins Gespräch gebracht werden.
Weiter bittet die Landessynode die Leitungsverantwortlichen der Kirchenbezirke, regelmäßig Abgeordnete der Parlamente zu Gesprächen einzuladen und dabei kirchliche Anliegen und Stellungnahmen zu aktuellen Themen von Frieden und Gerechtigkeit zu Gehör zu bringen.

3. Die Evangelische Landeskirche in Baden fördert Konfliktprävention und zivile Konfliktbearbeitung durch die Ausbildung von Fachleuten in konstruktiver Konfliktbearbeitung und Entsendung von badischen Friedensfachkräften in andere Länder. Dies soll in Zusammenarbeit mit internationalen Partnerkirchen und ökumenischen Organisationen geschehen, z. B. durch:

? Übernahme von Patenschaften für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zivilen Friedensdienstes, um eine Identifikation mit dem „Zivilen Friedensdienst“ zu befördern.

? Vortragsrundreisen von ZFD-Leistenden in der Landeskirche (Aktion „Zivil statt militärisch“)

? Unterstützung von Gruppen, die auf gewaltfreien Wegen Änderungen in Diktaturen
und Bürgerkriegsländer anstreben

? Gründung von Patenschaften mit Kirchengemeinden in Krisengebieten Die Programme „Jugendliche werden Friedensstifter“ und „Freiwilliger ökumenischer Friedensdienst“ sollen weitergeführt und andere friedenspädagogische Angebote entwickelt werden.
Der Evangelische Oberkirchenrat wird gebeten, bis zur Frühjahrstagung 2014 der Landessynode entsprechende Vorschläge vorzulegen.

4. Soziale Gerechtigkeit und das Recht auf nachhaltige Entwicklung sind grundlegende Voraussetzungen für Frieden unter den Völkern.
Notwendig sind ein sozial gerechtes Wirtschaften und ein schonender Umgang mit der Natur und den Lebensgrundlagen. Der Klimawandel ist eine der zentralen ökologischen, sozialen und friedenspolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.
Besonders gravierend sind seine Folgen für die Menschen in den armen Ländern. Konzepte, die Klimagerechtigkeit, soziale Gerechtigkeit und das Recht auf Entwicklung zusammen bringen und Wege zu verändertem (kirchlichen) Handeln aufzeigen, sind dringend gefragt. Mit ihrem Klimaschutzkonzept hat die Landeskirche bereits einen Plan zur CO2-Reduktion vorgelegt.
Außerdem hat sie ein Projekt zur „öko-fairen und sozialen Beschaffung“ in Auftrag gegeben. Die Umsetzung dieser ehrgeizigen Vorhaben ist nicht nur eine Herausforderung für das Management, sondern auch eine geistliche Herausforderung, da sie der Kirche wie auch den Einzelnen tiefgreifende Verhaltensänderungen abverlangt.

Wir ermutigen die Gemeinden, unbeirrt und mutig in diesem Prozess weiter aktiv zu bleiben bzw. zu werden.

5. Die Evangelische Landeskirche in Baden setzt sich für einen Ausbau der kirchlichen Friedensforschung in Kooperation mit der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft e.V. (FEST) ein, die einen Transfer zwischen Wissenschaft, Kirche, Friedensorganisationen, Gesellschaft und Politik leistet und den interreligiösen Dialog zu den Themen „Religionen und Frieden“ und „Religionen und Konflikte“ vertieft.

Der EOK wird gebeten, eine Beauftragung der FEST mit einem Forschungsprojekt im Bereich des „Just Policing“ zu prüfen. Dieses soll klären, ob und wie in zwischenstaatlichen Konflikten militärische Gewalt immer mehr durch polizeiliche Zwangsmaßnahmen ersetzt werden kann.

6. Gleich dem nationalen Ausstiegsgesetz aus der nuklearen Energiegewinnung, gilt es – möglicherweise in Abstimmung mit anderen EU-Mitgliedsstaaten – ein Szenario zum mittelfristigen Ausstieg aus der militärischen Friedenssicherung zu entwerfen.

Mitglieder und Mitarbeitende des EOK sowie Synodale werden gebeten, dieses Anliegen bei Begegnungen mit den in der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) zusammengeschlossenen Kirchen einzubringen.

7. Beim Export von Kriegswaffen müssen die gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen eingehalten und Transparenz über die Entscheidungen des Bundessicherheitsrates hergestellt werden. Mittelfristig ist der Export von Kriegswaffen einzustellen.

Dazu fordert die Landessynode die Bundesregierung und die Mitglieder des Deutschen Bundestages auf. Deshalb wird die Evangelische Landeskirche in Baden in Gesprächen auf allen Ebenen mit verantwortlichen Politikerinnen und Politikern auf Verwirklichung dieser Forderung dringen.

Als Grundlage solcher Gespräche kann der jährliche Rüstungsexportbericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) dienen.

8. Viele Gemeinden haben über ihre Gemeindeglieder und Firmenkontakte direkte Beziehungen auch zu Unternehmen, die Rüstungsgüter herstellen. Ein Teil der kirchlichen Einkünfte kommt aus Steuern der dort Beschäftigten. Deshalb besteht eine Verantwortungsgemeinschaft, die weitergestaltet werden muss. Bei der Anlage von Kapitalien hat die Landeskirche bereits als Kriterium aufgestellt: „Die Anlage soll Unternehmen ausschließen, die in Bereichen tätig sind, die wir für ethisch bedenklich halten (z.B. Rüstungsgüterproduktion, Glücksspiel).”

Der EOK wird gebeten, zu überprüfen, inwieweit Kirchensteuermittel direkt zur Linderung von durch Kriegswaffen entstandener Not eingesetzt werden bzw. künftig eingesetzt werden können.

9. In den Einrichtungen der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Landeskirche sind die Themen „aktive gewaltfreie Konfliktbewältigung“ sowie Möglichkeiten und Methoden der Friedensarbeit als verbindliche Bildungsinhalte aufzunehmen.

10.Die landeskirchlichen Mitglieder der EKD-Synode sowie der Evangelische Oberkirchenrat werden gebeten, in den Gliedkirchen und Gremien der EKD (Synode, Kirchenkonferenz und Rat) sich dafür einzusetzen, dass das Gespräch über das Friedensthema vertieft weitergeführt und die Denkschrift von 2007 auf dem Hintergrund des badischen Diskussionsprozesses und der veränderten Situation hin zu einer eindeutigeren Option für Gewaltfreiheit im Sinne des umfassenden Verständnisses des gerechten Friedens weiter entwickelt wird. Dabei sind Maßnahmen politischen Handelns, die zur Vorbeugung und Vermeidung von Eskalation dienen, verstärkt in den Blick zu nehmen.

11.Im interkonfessionellen und interreligiösen Gespräch sollen die Chancen vermittelnder friedlicher Interventionen durch Vertreterinnen und Vertreter von Religionen und Konfessionen angesprochen und die Beteiligten dazu ermutigt werden.
Dazu ermutigen wir alle an interreligiösen Gesprächen Beteiligten.

12.2014 erinnern wir uns daran, dass vor 100 Jahren der 1. Weltkrieg und vor 75 Jahren der 2. Weltkrieg begann. Im gleichen Jahr feiern wir den 25. Jahrestag des Mauerfalls und der friedlichen Revolution in Deutschland. Gottesdienste zu diesen Anlässen bieten Raum, für Frieden zu danken und Schuld zu bekennen.

Die Landessynode bittet die Gemeinden und Bezirke, die Dienste und Werke, in diesem Jahr unsere gemeinsame Verantwortung für Frieden und Gerechtigkeit zum Thema zu machen. Dies kann geschehen in grenzüberschreitenden Begegnungen, auf Akademietagungen, in Biographiewerkstätten, in Zusammenarbeit mit Heimatvereinen, in Schulen, an Gedenkstätten und in Gesprächen mit Zeitzeuginnen/Zeitzeugen, Soldatinnen/Soldaten, Vertreterinnen/Vertretern von Friedensgruppen und Politikerinnen/Politikern.


3.2 FRIEDEN LERNEN

Frieden kann gelernt und muss gelehrt werden. Methoden der konstruktiven Konfliktbearbeitung und die Praxis der aktiven Gewaltfreiheit müssen erlernt, immer wieder eingeübt und strukturiert werden. Zur Entwicklung und Umsetzung entsprechender Konzepte soll geprüft werden, ob die evangelischen Kirchen im Südwesten gemeinsam ein „evangelisches Institut für Friedenspädagogik“ einrichten können.

Folgende weitere Schritte werden vorgeschlagen:

? Die konstruktive gewaltfreie Austragung von Konflikten kann bereits im Kindergarten gelernt werden.

? In der Konfirmandenarbeit hat sich das Konzept „Jugendliche werden Friedensstifter” bestens bewährt und soll weiter ausgebaut werden. Wenn Konfirmanden mit der Vermittlung der christlichen Glaubensgrundlagen auch dem Umgang mit Konflikten lernen, dann wird deutlich, dass dem Glauben an den Gott des Friedens auch ein Friedenshandeln seitens der Christen folgen muss.

? In den Schulen haben sich die Streitschlichtertrainings überall etabliert und zeigen den Jugendlichen, wie wichtig die Funktion von Mediatoren in einem Konflikt sein kann. Das Konzept „Jugendliche werden Friedensstifter“ kann auch hier ausgebaut werden. Evangelische Schulen sollten ein friedenspädagogisches Profil haben.

? In den Bildungsplänen für den Religionsunterricht müssen Fragen der Friedensethik und konstruktive Konfliktbearbeitung verankert bleiben. Historische Fallstudien (Gandhi, Martin Luther King, Philippinen, Liberia) können Jugendlichen die Wirksamkeit gewaltfreien Handelns nahebringen. Wo Religionsgemeinschaften in ihrer Friedensarbeit religionsübergreifend zum Frieden beitragen (Nigeria, Liberia) ist darauf im Religionsunterricht besonders hinzuweisen.

? Gemeinden, die sich in ihrer Arbeit z.B. im Kindergarten oder der Konfirmandenarbeit und der Erwachsenenbildung oder in ihrem Stadtteil besonders als „Friedensstifter“ engagieren, werden ausgezeichnet.

? Das Thema „gewaltfreie Konfliktbearbeitung“ muss fester Bestandteil der Bildungspläne aller kirchlichen Ausbildungsgänge werden.

? Friedenstheologie sollte bereits im Theologiestudium angeboten werden; in der zweiten Ausbildungsphase der Pfarrerinnen und Pfarrer müssen Informationen über Institutionen und Strukturen der landeskirchlichen und EKD-weiten Friedensarbeit ebenso vermittelt werden wie ein Grundwissen (z. B. über Methoden konstruktiver Konfliktbearbeitung oder die reale friedenspolitische Relevanz religiöser Akteure auf nationaler wie internationaler Ebene). So können Pfarrerinnen und Pfarrer und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirche in theologischer wie in politischer Hinsicht befähigt werden, Antworten auf die friedenspolitischen Fragen unserer Zeit zu geben.

? Ökumenisches, interreligiöses und interkulturelles Lernen ist ein wichtiger Baustein der Friedenspädagogik. Projekte wie FIT (Fit durch interkulturelles Training) haben Erfolg und sollen aufgenommen und ggf. weiterentwickelt werden. Gleiches gilt für den „Freiwilligen Ökumenischen Friedensdienst“ der Landeskirche und die Partnerschaftsarbeit, bei denen Fragen der Friedensethik im ökumenischen und interkulturellen Gespräch verstärkt vorkommen.

? Die Evangelische Akademie Baden und die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft e.V. (FEST) nehmen das Friedensthema und friedensethische Fragestellungen weiterhin in ihren Veranstaltungen und Tagungen in vielfältiger Weise auf. Sie analysieren und beleuchten dabei die Gewalt- und Friedenspotenziale der Weltreligionen. Auf Tagungen der Akademie werden regelmäßig die Zusammenhänge von Frieden und wirtschaftlichem Handeln in regionaler und globaler Hinsicht reflektiert und wird unter wirtschaftsethischen und sozialethischen Aspekten nach nachhaltig friedensfördernden und konfliktmindernden Handlungsansätzen gesucht.

? Der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (KDA) nimmt in konkreten Krisen- und Konfliktsituationen n der Arbeitswelt eine aktive Rolle wahr, indem er versucht, Beteiligte zu einem aktiven Konfliktmanagement zu gewinnen, durch Gespräche und Vermittlungen deeskalierend zu wirken und Perspektiven für ein gewaltvermindertes Miteinander aufzuzeigen.

? Der Kirchliche Dienst auf dem Lande (KDL) greift immer wieder auch Probleme von Entwicklungsländern und deren Abhängigkeiten durch gewalttätige ungerechte Strukturen auf (z.B. land grapping).

? Beim Thema „Gewalt überwinden“ und „Frieden stiften“ müssen die unterschiedlichen Beiträge – und die unterschiedliche Betroffenheit - von Männern und Frauen im Blick sein. Der Männerarbeit und der Frauenarbeit der badischen Landeskirche kommt hier eine wichtige Rolle zu.

? Das ökumenische Jugendprojekt „Mahnmal zu Erinnerungen der am 22. Oktober 1940 verfolgten Juden“ soll mit einem nachhaltigen friedenspädagogischen Konzept ausgebaut werden.

 

 

 

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