Kunst in China: Fan Pu (1948-)

"Wenn ein Edler verkannt wird..." - Scherenschnitt

 

Wenn ein Edler verkannt wird...
Auslegung eines eigenen Scherenschnittes von Fan Pu

„Einen Edlen schmerzt es nicht, wenn er verkannt wird.
Entscheidend ist für ihn seine weitere Vervollkommnung.
Er achtet nicht darauf ob er bei der Ausübung seines Glaubens gesehen wird.
Wichtig ist ihm, zu glauben.
Ein Edler strebt nicht danach, für wichtig gehalten zu werden,
sondern danach, fähig zu sein.“
(Die Worte auf dem Bild) Xunzi (3. Jahrhundert v. Chr.)

Diese Worte eines konfuzianischen Philosophen aus dem Altertum haben noch heute Bedeutung. Selbst wenn unser Handeln von Menschen verkannt, falsch eingeschatzt oder gering geachtet wird, sollen wir uns doch in unserer Haltung und unserem Können weiter entwicke1n, damit wir immer öfter das Gute erreichen. Wir sollten nicht traurig sein oder uns davon verletzen lassen, wenn Menschen uns Aufmerksamkeit, Achtung oder Anerkennung verweigern.

Im unteren Bildbereich des Scherenschnitts ist Schilfrohr zu sehen. Viele Halme müBten eigentlich von den großen Steinen niedergedrückt werden, aber zäh und unbeugsam haben sie sich an den Felsen vorbei gearbeitet und recken sich in Gesteinsritzen hinauf. Wenn nun schon Schilfrohr nicht vor dem Gewicht von Stein kapituliert, darf sich auch kein Mensch, der an Gott glaubt, durch Missachtung und Fehleinschatzung von Seiten anderer den Lebensmut nehmen und sich zerstören lassen. Wir sollten, wenn uns solches widerfahrt, unbeirrt weiter an uns arbeiten und an unserem Glauben festhalten.

In der linken oberen Bildhälfte ist eine grasgedeckte Hütte zu sehen. Das Dach wird vom Sturm abgetragen. Ich denke hier an ein Gedicht des berühmten Dichters Du Fu (712-770) mit der Überschrift: "Ode an die vom Herbstwind zerstörte Hütte". Dort heißt es:

"September war's. Wutschnaubend brach der Herbststurm übers Land, riß mir vom Dach drei Lagen Stroh und hing es ins Geäst, und übern Fluß hin flatterte der Rest ... Regen rinnt in Strömen durch das abgetragne Dach ... Die lange Nacht sitz ich in Ängsten wach und denke: Ob es jemals geben mag Häuser für alle Armen, hell und licht, so fest, dass auch der stärkste Sturm sie nicht zerbricht? Ach käme doch jener Tag - und war ich arm auch dann, arm bis zum Tod, ich klagte nicht!"

Was macht es also aus, wenn das Haus zerstört ist? Das Licht der Lampe im Zimmer ist kurz vor dem Erlöschen, doch dann wird es vom Wind empor getragen, durch das beschädigte Dach hinaus und über die Bäume hinweg. Das Licht steigt in den Himmel. Da sind aus den Flammen Tauben geworden. Aus diesen Bildern können wir Kraft schöpfen: Das geknickte Rohr wird unter der Last nicht zerbrechen, und der glimmende Docht nicht verlöschen. Denn das Leben in ihnen ist stark.

Aus dem Chinesischen von Monika Gänßbauer
Der Text auf dem Bild wird zitiert aus: Ernst Schwarz Hg., Chrysanthemen im Spiegel. Klassische chinesische Dichtungen, Berlin-Weimar 1976, S.102f
Mehr zu Fan Pu hier: http://www.missionsblaetter.de/pdf/2002/4/china.pdf
Aus: "Christentum Chinesisch in Theorie und Praxis"
Hg. Monika Gänßbauer, EMW, Blaue Reihe 9, Hamburg 2003, S.164ff. ISSN 1436-2058