Otte, Dr. Klaus - Biographie

Prof. Dr. Klaus Otte.   Basel & Frankfurt am Main

 



Biographie



1935 in Wuppertal-Barmen geboren, studierte Theologie an der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal, später in Heidelberg (Neues Testament), Bonn, Basel.

Zunächst beschäftigt ihn "Das Sprachverständnis bei Philo", später habilitiert er sich über "Das Sprachverständnis bei Paulus". Sprache ist das entscheidende Medium beim Dialog; so kommt er sehr bald zum interreligiösen Dialog, eine Frage, die ihn seither nicht mehr losgelassen hat. Studienreisen und Lehraufträge führen ihn u.a. nach Beirut, Basel und Kyoto. 1984 wird er zum Professor an der Near East School of Theology in Beirut ernannt.

Nach Kyoto entsendet ihn die Schweizerische Ostasienmission (SOAM) in den Jahren 1989-1991 und überträgt ihm die Leitung des von Prof. Dr. Werner Kohler einst gegründeten "Hauses der Begegnung". In Kyoto lehrt er als Gastprofessor an der christlichen Doshisha-Universität und erhält einen Lehrauftrag an der Kwansei Gakuin Universität in Kobe. Damals trifft er wieder mit NISHITANI Keiji (1900-1990) zusammen, seinem großen japanischen Lehrer, dessen Assistent er bereits in den 60er Jahren gewesen war. Zusammen mit OKOCHI Ryogi hatter er zuvor das Tannisho ins Deutsche übersetzt.

Zurück im Pfarramt unternimmt er immer wieder neue Anläufe, den interreligiösen Dialog auch in einer Landgemeinde voranzubringen. Dafür wird ihm 1999 das Bundesverdienstkreuz verliehen.


Über sein Leben schreibt er selber:

"Als Weltenbummler, Pfarrer und Professor - stets in einer Person - liebte ich Kontakte mit Menschen aus den verschiedensten Kulturen und Religionen. An in- und ausländischen Seminaren, Universitäten und Kirchen versuchte ich, aus einem bewusst christologisch begründeten Glauben heraus die Weltreligionen in einen wesentlichen Zusammenhang zu bringen. Besonders meine Lern- und Lehrzeiten in Beirut und Kyoto weiteten meinen Horizont.

Unvergessliche Lehrer gaben mir in Philosophie und Theologie das nötige Rüstzeug. Besonders der buddhistische Zen-Philosoph Keiji NISHITANI und der Jesuit Karl RAHNER (1904-1984) haben mich nachhaltig geprägt. Wichtige Ereignisse wie das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965), den Konziliaren Prozess in Basel und Seoul sowie die Weltkirchenkonferenz in Canberra (1991) durfte ich miterleben. Zahlreiche Reiseleitungen in allen Teilen der Welt stärkten in mir die praktische und wissenschaftliche Vermittlerfähigheit zwischen den Weltkulturen und Religionen.

Regelmässige wissenschaftliche Treffen mit buddhistischen, jüdischen und muslimischen Vertretern forderten die Intensivierung meiner interkulturellen und interreligiösen Hermeneutik immer wieder heraus. Als habilitierter Professor für Systematik lehre ich heute fast regelmässig Religionsontologie an den Universitäten Basel und Frankfurt am Main. Eine rege Beratertätigkeit in Bonn, London und im Nahen und Fernen Osten verbindet mich weiterhin mit den verschiedenen Kulturen und Religionen. Die rheinische Synode Altenkirchen in Deutschland hat mich mit dem Gebiet <Gespräch zwischen Juden, Christen und Muslimen> beauftragt.

Mehrere Publikationen zur Sache sind seit vielen Jahren erschienen und mögen zum Verständnis meines Vortrags "interkulturelles Lernen" behilflich sein. In Bild, Wort und Film haben die Medien meine Arbeit gewürdigt. 1989 verliehen mir der französische Orden St. Fortunat in Mainz und 1999 der deutsche Bundespräsident im Schloss Bellevue in Berlin eine hohe Auszeichnung für meine Versöhnungs- und Vermittlungsarbeit zwischen den Kulturen und Religionen der Welt."

(Anm.: Das Tannisho ist ein Klassiker des Shin-Buddhismus oder Jodo Shinshu. Es enthält Worte von Shinran (1173-1263), dem Gründer dieser buddhistischen Schule in Japan. Das Tannisho ist das vielleicht bekannteste buddhistische Werk des jap. Buddhismus.)



Bibliographie - Sachbezogene Veröffentlichungen

Hat der interreligiöse Dialog eine Zukunft? - Religionskriminalität im Spiegel der dialogischen Wahrheit. In Vorbereitung (vermutlich 2005)

Religion und Nichts. Brennpunkte der Religionsphilosophie bei Bernhard Welte und Keiji Nishitani. In: "Phänomenologie der Religion", Freiburg 2004, S.223-234

Reaktionen auf die Säkularisierung aus dem Buddhismus aus christlicher Sicht. In: Säkularisierung als Herausforderung für Buddhismus und Christentum. (japanisch und deutsch) Kyoto 2004.

Zeichen eines Traumes - Wider das Vergessen. Altenkirchen und Basel 1.Aufl. 2003, 2.Aufl. 2004

Geh aus deinem Vaterland - Solidarität aus dem ‚Nichts'. Juden, Christen, Muslime und viele andere unterwegs. ( Buddhistische Spuren in den drei Buchreligionen ) Bonner Institut für Migrationsforschung und Interkulturelles Lernen, Bonn 2003

"Frui Deo" - "Gott geniessen". Eine religionsontologische Perspektive von Gott im Abendmahl in einer multireligiösen Welt. Beispiel einer geschichtsfaktischen Hermeneutik aus und in Erfahrung. In: Der eine Gott und die Welt der Religionen, Würzburg 2003, S.417-442

Welt im Gottesdienst - Gottesdienst in der Welt. In: Kirche im ländlichen Raum, Altenkirchen 2002

Life in the Vow: Practical and Ethical Implications of the Three Book-Religions in the Modern World Compared with those of Shin Buddhism. In: The Pure Land NS Kyoto 2002, S.66-71

Interreligiöser Dialog und Hermeneutik. In: Religionen im Gespräch (RIG) Band 7, Balve 2002, S.315-332

In den Schriften der anderen lesen - Ein deutscher Beitrag. In: Spiritualität und ethische Erziehung. Hamburg 2001, S.129f.

Gott - Amida - Nirwana: Aspekte einer induktiven Hermeneutik im religiös-ontologischen Dialog zwischen Shin-Buddhismus und Christentum. In: Buddhismus und Christentum, Hamburg 2002, S.52-71

Die Antwort des Glaubens. Systematische Theologie in 50 Artikeln. Unveränderter Nachdruck der 3.überarbeuteten und erweiterten Auflage, herausgegeben von Klaus Otte , Stuttgart, Berlin und Köln 1999 (zusammen mit Heinrich Ott): besonders Artikel 41

Das Absolute und die Absolutisten. In: Pluralistische Theologie der Religionen. Frankfurt am Main 1998, S.175-190

Wandel und Bestand in der Sprache zu Hause. Wandel und Bestand - Denkanstösse zum 21.Jahrhundert, Paderborn 1995, S.675-682

Zeitigung der Zeit als kategoriales Problem einer zukünftigen Hermeneutik in der sich vollziehenden praktischen Begegnung der Religionen und ihrer zunehmenden Wechselbeziehungen zueinander. In: Religion und Gestaltung der Zeit, Kampen 1994, S.123-135

Verstehen des Fremden - Ein Erfahrungsbericht. In: Dialog der Religionen 3.Jg. H.1 Gütersloh 1993, S.50-64

The Kyoto Philosopher's Call. "Ad Fontes - Asian Humanism. In: The Eastern Buddhist NS Vol. XXVI No.1 ,Kyoto 1993, S.94-100

Das Haus der Begegnung im Spiegel des weltweit aktuellen Dialogs zwischen den Religionen und Kulturen. Jahresbericht der SOAM 1991, S.10f.

Erfahrungen im Haus der Begegnung in Kyoto. In: Dialog der Weltreligionen, Basel 1991, S.39-54

Agree to Disagree - Identity of Non-Identity. Impressions of World Council of Churches 7.th Assembly in Canberra/Au. In: Year Book of Kyoto International Student House Vol.15, Kyoto 1990

Identität und Nicht-Identität im Verstehen zwischen den Religionen und Kulturen. In: Weltoffenheit des christlichen Glaubens. Bern und Tübingen 1987, S.155-168

Die Gnade im Jodo-Buddhismus verglichen mit ausgewählten Parallelen aus der christlichen Gnadenlehre. In: "Mitten im Tod - Vom Leben umfangen". Frankfurt am Main - Bern - New York - Paris 1987, S.89-102

Rechtfertigung aus Glauben als Religionsgrenzen übersteigende Kraft. Die Möglichkeit religiöser Toleranz durch das Evangelium von Jesus Christus. In: Der Friede unter den Religionen nach Nikolaus von Kues. Mainz 1984, S.333-342

Artikel ‚Gnade' in TRE XIII , Berlin 1984 (besonders Abschnitt 7 )

TAN-NI-SHO - Die Gunst des Reinen Landes. Begegnung zwischen Buddhismus und Christentum (zusammen mit Ryogi Okochi), Bern 1979 ( Ein vollzogener interkultureller Lernprozess).

Durch Gemeinde zur Predigt. Zur Verhältnisbestimmung von Theologie und Predigt bei Alexander Schweizer und Alois Emanuel Biedermann. Frankfurt am Main 1979.

Lernen als reflexiv vollzogene Existenz. Die Analyse eines Lernprozesses in der Theologie, dargestellt an Karl Rahner: Das Leben der Toten. Mit einem Begleitwort von Karl Rahner, Frankfurt am Main 1978

Das Sprachverständnis bei Philo von Alexandrien. Sprache als Mittel der Hermeneutik. Tübingen 1968


Abstract

INTERKULTURELL LERNEN

Vorüberlegungen zum Vortrag in Weimar am 24. September 2004

Das Thema ist eine Anfrage an sich selbst: Gibt es das, was Europäer Lernen nennen, in den einzelnen Kulturen und zwischen den verschiedenen Kulturen der Welt? Eine Antwort ist indessen nur zu erwarten, wenn so etwas wie interkulturelles Lernen vollziehbar ist. Denn nur im tatsächlichen interkulturellen Austausch kann das Kriterium (Vergleichspunkt) der im Thema erfragten Sache herausgestellt werden.

Aus der praktischen Erfahrung universaler Kulturkontakte kann nicht bestritten werden, dass es so etwas wie ‚interkulturell lernen’ gibt. Solches Lernen wurde seit je vollzogen, vollzieht sich jeden Augenblick und wird sich auch in Zukunft vollziehen. Diese praktische Tatsache bedarf nun aber der erhellenden Theorie. Mit Hilfe einer am empirischen Phänomen orientierten Forschungsweise wird die thematische Fragestellung durchgeführt werden müssen.

Zwei Hauptgesichtspunke sind bei diesem Vorgehen zu beachten. Erstens: Was Lernen an sich ist, muss herausgestellt werden. Zweitens: Was Lernen im multikulturellen Bereich bedeutet, ist der nächsten Schritt. Das hier aufbrechende Problem schält sich heraus: Hat das, was wir Europäer ‚lernen’ nennen, Äquivalente in anderen Kulturen? Hat das, was in anderen Kulturen möglicherweise ‚lernen’ heißt, Entsprechungen in unserem europäischen Kulturdenken? Welche Bedeutung erhalten hier Sprachtransfer und interkulturelle Nachdichtung im Sinne eines letztlich unkontrollierbaren Hinüber- Setzens? (Vgl. Heidegger) Wie steht es dabei um die Frage der Identität der Sache: Ist Lernen auch im interkulturellen Geschehen dasselbe, wenn es zum thematisch apostrophierten interkulturellen Lernen praktisch und theoretisch kommen sollte? (Wenn zwei das gleiche tun, ist es das gleiche? Oder gibt es eine in sich divers begründbare Handlung?)

Die Behandlung des Themas muss folgende Dispositionspunkte berücksichtigen:

1. Was verstehen wir Europäer unter ‚lernen’? a. Vermittlung und Austausch von Informationen? b. Reflexiv vollzogene Existenz?

2. Wie verstehen andere Kulturen ‚lernen’ und wie können sie uns ihr Selbstverständnis innerhalb unseres Themas plausibel machen? Beziehungsweise wie können wir die Aspekte der anderen Kulturen von Lernen wahrnehmen und integrieren?

3. Das interkulturelle Lernen, das in der Praxis ja empirisch funktioniert, muss auf seine wesentlichen ontologischen Vollzüge und Ermöglichungsbedingungen hin untersucht werden: Die effektive Praxis sucht nach ihrer interkulturellen Theorie. Interkulturelles Lernen sucht praktisch und theoretisch nach seiner Identität.

4. Interkulturelles Lernen, als Geschehen zwischen verschiedenen Kulturen, erfordert zur Selbsterhellung also eine ontologische Begründung. Denn wenn Lernen ein wirkliches Ereignis und nicht nur eine Hypothese ist, muss es eine Begründung im Sein haben.

5. Diese Begründung kann nur in dialogischer Interaktion zwischen den Kulturen gefunden werden, weil wir als je einzelne Kultur nicht über die Begegnungsweise der anderen Kulturen mit dem Sein verfügen, sondern nur von ihnen ‚lernend’ wahrnehmen können. Gleichwohl haben wir Kulturgrenzen überschreitend und wissenschaftlich ‚hoffend’, ja schließlich auch erfahrungsgemäss gemeinsam an dem teil, was wir Sein nennen zu nennen wagen und nicht nur in der Sprache als solches behandeln. (vgl. Heidegger und Japan)

 

"Die Erfahrung lehrt, dass europäische Spitzenwerte in anderen Kulturen anders bewertet werden und auch mit anderen Infrastrukturen vonstatten gehen."

"In der kulturellen Praxis leuchten uns die geglückten Erfahrungen ein und werden im Gedächtnis gespeichert. Die missglückten Momente lassen wir leicht fallen. Beide aber sind für unser Thema wichtig. Warum und wieso ist das eine geglückt und das andere missraten?"

"Am meisten hat mir bei meinem Reifeprozess mein Zen-Meister, der Buddhist Keiji NISHITANI, geholfen."

"Zahlreiche biblische Aussagen basieren auf einer impliziten dialogischen Interaktion zwischen konkurrierenden Religionen. Das Ergebnis des impliziten Dialogs entscheidet dann über das, was wahrheitsgemäss der Fall ist, bzw. was Wahrheit ist."

"Europäische Tradition und Rationalität kann zwar zufällig gelegentlich zu grenzüberschreitenden Lernerfolgen führen, erweist sich aber in der Grundsatzfrage nach interkulturellem Lernen als ungeeignet und unproduktiv bzw. pseudokreativ. Wirkliches interaktives Wachstum zwsichen den Kulturen und echte gegensetige Bereicherung finden nicht statt."

"Der reflektiv vorgehende Lernprozess verbindet den existentiellen Erfahrungs-vollzug und die theoretische Einsicht. Deshab ist Lernen nicht Verarbeitung "neutraler Informationen", sondern im wesentlichen Entbergung dessen, was zwischen den Kulturen vor sich geht. Interkulturelles Lernen läßt sich nicht mit rationalen Massnahmen allein vollziehen, sondern erfordert die intelligible Existenz der verschie-denen unterschiedlichen Kulturträger."