Richard Wilhelm: 1873-1930

1873 geboren in Stuttgart

wilhelm1899 nach Qingdao, Shandong-Provinz, China, als Missionar des AEPM

1924 Übernahme des neugegründeten Lehrstuhls für Chinakunde in Frankfurt und Gründung des China-Instituts

1930 verstorben mit 56 Jahren. Bestattet auf dem Friedhof in Bad Boll.

 

2011 
RW Film
Kurze Biographie im Presseheft zum Film "Wandlungen"

Zum Film:

Wandlungen – Richard Wilhelm und das I Ging

Wer sich mit China und chinesischer Religion beschäftigt, kommt an dem Namen Richard Wilhelm (1873-1930) nicht vorbei. Der aus dem Schwäbischen stammende Theologe und Sinologe hat nicht nur als Erster zentrale philosophische und religiöse Werke aus der klassischen chinesischen Tradition vollständig ins Deutsche übersetzt, er gründete auch das China-Institut an der Goethe-Universität in Frankfurt a. M. und setzte so bedeutsame und nachhaltig wirksame Zeichen für den Austausch zwischen westlicher und chinesischer Kultur.

bettina wilhelmDie Enkelin Bettina Wilhelm, selbst in China geboren, hat nun einen Film über ihren Großvater gedreht. Es ist ein ruhiger, bisweilen nachdenklicher Film, der die Originalschauplätze aufsucht, Stationen des Lebens und der Geschichte erzählt und den Motiven und „Wandlungen“ des Protagonisten nachspürt, die aus dem ehemaligen Missionar der evangelischen Ostasienmission in dramatischen Zeiten einen Botschafter der chinesischen Kultur in Europa gemacht haben. Richard Wilhelm, der im deutschen Kolonial-Handelsstützpunkt Qingdao u. a. als Schulleiter tätig war, übte sich in der fremden Kultur im Hören und Lernen. Mission kann für ihn jedenfalls nur als wechselseitiger Prozess verstanden werden. Sprachen die Kolonialherren von den faulen und unehrlichen Kulis, die nur mit Schlägen zu rechter Arbeit zu bewegen seien, fand Wilhelm dagegen keine Kulis, sondern Menschen vor, die sich tagtäglich recht und schlecht mühten, ihr armseliges Dasein zu bewältigen. Er vertiefte sich in Sprache und Kultur der Chinesen. Am Ende war es ihm wichtig, dass er keinen einzigen Chinesen getauft hatte. Stattdessen machte seine einflussreiche Übersetzung das „Buch der Wandlungen“ I Ging (Yi Jing) zum bekanntesten chinesischen Werk überhaupt. Schriften von Konfuzius und Laotse wurden durch ihn einer breiteren Öffentlichkeit im Westen bekannt.

flyerDas I Ging enthält altchinesische Spruchweisheit in Kombination mit bestimmten Strichzeichnungen, die auf einer Reihe von Trigrammen und Hexagrammen aufbauen und in Verbindung mit einer Zahlensymbolik ursprünglich zu divinatorischen Zwecken gebraucht wurden. Auf die Orakel-Praxis mit Schafgarbenstäben und Zahlenaufstellungen geht der Film am Rande ein. Doch das I Ging, die spätere philosophische Kommentierung oder eine Einordnung in die chinesische Geistesgeschichte, auch eine Einordnung des Wilhelmschen Werks aus Sicht der Fachdisziplin, ist nicht das Thema der Dokumentation. Auch die Mission und die Missionsgeschichte werden im Film nicht eigentlich zum Thema. Insofern mag die eine oder andere Erwartung, die der Titel beim interessierten Publikum wecken kann, nicht erfüllt werden. Doch ist es ein feinfühliges und lehrreiches Eintauchen in Lebensentscheidungen, die im Fall Richard Wilhelms durch welthistorische Ereignisse, aber vor allem durch intensive und aufmerksame Begegnung mit „dem Fremden“ zu tiefgreifenden Wandlungen führten. Die Dokumentation ist auch darin transparent, dass die Autorin auf der Suche nach ihren eigenen Wurzeln ist. Das tut dem Filmerlebnis keinen Abbruch, wenn man es weiß und sich darauf einlässt – im Gegenteil.

„Wandlungen – Richard Wilhelm und das I Ging“, Dokumentarfilm von Bettina Wilhelm, Schweiz 2011, ca. 87 min.
Dr. Friedmann Eißler

Quelle: Newsletter der EZW, Berlin: www.webmart.de/nlhistory.cfm?id=41596