2012 Hofgeismar: Eine Predigt danach

Ev. Akademie, 10.- 12. April 2012
Predigt im Gottesdienst am 22. April 2012 in der Petruskirche in Stuttgart

Lutz Drescher, Ostasien-Referent in der Evang. Mission in Solidarität (EMS)

Lukas 19. 41-44 Jesus weint über Jerusalem
41 Und als er nahe hinzukam, sah er die Stadt und weinte über sie
42 und sprach: Wenn doch auch du erkenntest zu dieser Zeit, was zum Frieden dient! Aber nun ist's vor deinen Augen verborgen.
43 Denn es wird eine Zeit über dich kommen, da werden deine Feinde um dich einen Wall aufwerfen, dich belagern und von allen Seiten bedrängen
44 und werden dich dem Erdboden gleichmachen samt deinen Kindern in dir und keinen Stein auf dem andern lassen in dir, weil du die Zeit nicht erkannt hast, in der du heimgesucht worden bist.

„Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen".
Wir wollen einen Augenblick still werden und beten:
Gott öffne nicht nur unsere Ohren, sondern auch unsere Herzen, damit wir offen werden für das was Du uns sagen willst".

 

Liebe Gemeinde,
wahrscheinlich ist Ihnen schon aufgefallen, dass in diesem Gottesdienst eine ganz seltsame Mischung von Stimmungen anklingt. Da ist Freude und da sind die Tränen und da ist der Aufruf zur Verantwortung aber auch zum Vertrauen.

So ist das Leben werden mache von Ihnen nun sagen – und sie haben recht. Wir leben mit dieser Mischung und selig wer trotz allem vertraut - Glaube hat immer auch etwas von Trotz.

Ich will Sie teilhaben lassen, an dem was mich und viele andere in den letzten Wochen bewegt hat. Wie Sie wissen bin ich als Referent bei „Evangelische Mission in Solidarität" - wie das frühere EMS nun heißt - zuständig für die Beziehungen nach Indien und Ostasien sprich China, Korea und Japan. Ich war im vergangenen Juli drei Monate nach der Dreifachkatastrophe in Japan und habe die enormen Zerstörungen durch den Tsunami gesehen und etwas miterlebt von der Angst der Menschen vor der unsichtbaren radioaktiven Strahlung und ihren Folgen.

In der Woche nach Ostern, in der Woche, in der wir den Sieg des Lebens über den Tod feiern, haben wir in einer der evangelischen Akademien eine Tagung zu Fukushima veranstaltet. Wir haben dabei drei Schritte gemacht:

1. Bestandsaufnahme: Wie ist die Situation?
2. Deutung und Bewältigung. Wie gehen die Menschen um mit den Folgen dieser Katastrophe?
3. Konsequenzen: was für Folgen ergeben sich daraus? Wo ist ein Umdenken und Umsteuern angesagt?

Wir wollten nicht nur „mehr wissen" über Fukushima, dazu braucht man nicht unbedingt eine Tagung, wir wollten besser verstehen, wollten mit JapanerInnen ins Gespräch kommen, wollten unsere Anteilnahme zeigen, wollten gemeinsam schweigen und beten.

Einer der dichtesten Momente dieser Tagung war, als wir am 11. April um 14.48 - genau dreizehn Monate nach der Katastrophe - uns schweigend in einem Kreis aufgestellt haben und einfach nur innerlich verbunden waren mit den Menschen in Japan.

Manchmal hilft nur Schweigen, weil wir einfach sprachlos sind. Da helfen alle Erklärungsversuche nichts, da wird jeder Trost zur falschen Vertröstung. Manchmal – und das gilt auch für unsere engen menschlichen Beziehungen - ist das Schweigen und Aushalten ein viel intensiverer Ausdruck der Anteilnahme als alle gut gemeinten Worte. Daraus ließe sich nun einer ganze Lehre der Seelsorge entwickeln (Hiobs Freunde), aber ich sehe Manchem von Euch an, dass Ihr wisst, was ich sagen will.

Das Leid der Menschen in Japan wurde uns ganz nahegebracht durch zwei kurze Filme, die wir gemeinsam angeschaut haben: „Die Kinder von Fukushima" und „die Kinder des Tsumani". Ich sage ihnen und schäme mich dessen nicht, dass mir die Tränen kamen, als ich die Aussagen dieser Kinder gehört hatte und dass ich angefangen habe, sie zu bewundern, je länger ich ihnen zugehört habe. „Ich werde die Klassen Kameraden, die gestorben sind nicht vergessen" so sagen sie, aber vor allem auch „Ich bin gerettet worden und möchte mich für andere einsetzen". Kürzer und elementarer kann man das Evangelium und den Missionsauftrag in fast säkularer Sprache kaum zusammenfassen: „Ich bin gerettet worden und möchte mich für die Rettung anderer einsetzen".

Zwei erste kurze Blitzlichter aus dieser Tagung und noch eines mehr. Während wir uns auf die Angst und das Leid der Menschen von Fukushima einlassen, ist rings um uns her Frühling, aufblühendes Leben, fast „explodierende Lebendigkeit". Wohl wissend, dass Gott nicht in Begriffe und Bilder gefasst werden kann, so ist doch „Blühende Lebendigkeit" eines der Bilder, das sich für mich mit Gott, mit Auferstehung verbindet.

In Japan, diesem auch rätselvollen Land wird dieser Tage das Kirschblütenfest gefeiert und die Menschen sind dabei schwermütig fröhlich, denn Schönheit und Vergänglichkeit liegen so nah beieinander. Dazu „Ja" sagen zu lernen, das ist wohl immer wieder neu Lebensaufgabe und wir als Christen können diese nur bewältigen, indem wir darauf vertrauen, dass Gott selbst ja sagt zu unserem Leben und es mit lebt in seinen Höhen und seinen Tiefen. Dazu ist Jesus auf diese Erde gekommen, hat mit den Menschen gelebt und mit ihnen und für sie gelitten, ist gestorben und auferstanden. Über allem und in allem der Schmerz und die Liebe und die Güte Gottes.

Ich habe nun noch nichts gesagt über die atomare Katastrophe, die ja noch längst nicht bewältigt ist und deren Folgen noch immer unabsehbar. Da brauchen wir keine metaphysischen, philosophischen oder religiösen Erklärungen, da genügt eine einfache Verantwortungsethik. Da kommt es nun darauf an Konsequenzen zu ziehen.

Und da möchte ich Ihnen gratulieren. Sie haben schon agiert bevor diese Katastrophe passiert ist. Sie setzen sich für eine nachhaltige Entwicklung ein, für Klimagerechtigkeit weltweit, für geringeren Energieverbrauch hier. Sie sind weitsichtig als Petrusgemeinde mit der Umweltgruppe, die mit großem Einsatz den grünen Gockel hierher holen wird, dessen Kikeriki auch ein Lob Gottes ist. Und Sie bringen zum Ausdruck mit dem Missionsopferprojekt "Umweltschutz als ethische Verpflichtung hier und weltweit" mit dem Sie ein Ökologiezentrum in Korea unterstützen, zum Ausdruck, dass die Fragen, die uns beschäftigen, Überlebensfragen der ganzen Menschheit sind. Indem Sie tun, was Sie tun, sind Sie – ob sie es wissen oder nicht - mit den Menschen in Japan und Korea verbunden. Wenn wir hier Strom sparen, dann setzen wir uns auch dafür eine, dass nicht weitere AKWs gebaut werden, dass nicht weiterhin Menschen im Schatten der unsichtbaren Bedrohung durch radioaktive Strahlung leben

Ich denke diese Erfahrung der Verbundenheit ist etwas ganz wichtiges. Alle sind mit allen und wir mit der ganzen Schöpfung verbunden. Wir atmen dieselbe Luft. Der Flügelschlag eines Schmetterlings hier kann dort einen Sturm auslösen und unsere Anteilnahme hier kann über tausende von Kilometern hinweg Menschen trösten. Am Sonntag, dem 11. März, genau ein Jahr nach der Katastrophe haben Sie auch hier in der Petruskirche das Gebet aufgegriffen, zu dem wir als EMS aufgerufen haben, und für die Menschen in Japan gebetet. Ich habe unseren Aufruf zum Gebet nach Japan geschickt, die Menschen dort darüber informiert, dass wir an sie denken und habe selten so viel positive Resonanz bekommen wie auf diese Mitteilung: „Danke dass ihr an uns denkt, für uns betet – das gibt uns Mut und Kraft."
Amen.

Es gibt einen Predigttext, der uns für diesen Sonntag aufgegeben ist: 1. Petrus 5. Ich will ihn nun nicht lesen sondern nur den letzten Satz:
7 Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.

Uns wird es besser gelingen nachhaltig zu wirtschaften, wenn wir aufhören, aus der Sorge heraus zu leben und lernen zu leben im Vertrauen auf Gottes Güte. Dazu hat uns Jesus aufgerufen und wir singen ein koreanisches Lied das auf seinen Worten beruht.

 

Kooperationspartner: 

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