AK Sinti/Roma und Kirchen: Aus der Praxis: Osaka/Japan

Buraku, Sinti & Roma und andere Minderheiten

Der AK Sinti/Roma und Kirchen in Baden-Württemberg
feierte seinen 10. Geburtstag im Haus der Begegnung in Ulm

am 1. Juli 2009

 

Aus der Praxis: Osaka/Japan

KATAOKA Heiwa und Pfr. MIZUTANI Ken

Mitarbeiter im Buraku-Befreiungszentrum Osaka, Japan

 

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KATAOKA Heiwa

 

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MIZUTANI Ken

Beispiele aus der Praxis als pdf-Datei



II. das Vorgehen gegen Buraku-Diskriminierung
in Japan

Pfr. Ken Mizutani und Heiwa Kataoka, Osaka

vom Buraku-Befreiungszentrum der
Vereinigten Kirche Christi in Japan

Wir danken für die Gelegenheit, Ihnen von unserer Arbeit im Buraku Befreiungszentrum zu berichten. Einige Aspekte unseres Kampfes gegen die bedrückende Diskriminierung, wie sie die Nachfahren der Buraku in Japan erleben, sind nur im japanischen Kontext 

vorhanden. Aber vieles von dem, was wir tun, hat Parallelen zu den Aktivitäten, die Sie hier in Deutschland für die Beseitigung der Diskriminierung von Sinti und Roma unternehmen. Tatsächlich gibt es viel Gemeinsames bei allen Gruppen, mit denen wir solidarisch sind, weil das Leiden der Menschen unter Diskriminierung und das Streben nach Gerechtigkeit und Würde uns allen gemeinsam ist.

Damit Sie eine Vorstellung davon bekommen, welche Aktivitäten wir durchführen, tragen wir hier einen Bericht unserer Aktivitäten des letzten Jahres vor. Wir hoffen, dass es für Sie eine Ermutigung ist zu hören, was Ihre Brüder und Schwestern in Christus in Japan in dieser Hinsicht unternehmen.


Bericht der Aktivitäten des Buraku Befreiungszentrums vom April 2008 März 2009

1. Zusammenarbeit mit der Vereinigten Kirche Christi (Kyodan)

Im Jahr 2000 hat der Kyodan (Vereinigte Kirche Christi in Japan, eine Kirchenunion, Anm. d. Ü.) Leitlinien zur Befreiung der Buraku verabschiedet und sich selbst verpflichtet, Wege zu finden, sie umzusetzen, zum Beispiel durch örtliche Seminare zur Buraku Befreiung. Das Befreiungszentrum beteiligt sich soweit wie möglich daran und bewilligt die Finanzierung aus dem Kazuichi Imai Erinnerungs-und -Befreiungsfond. Bis zu 50.000 Yen pro Seminar und 100.000 Yen pro Theater der Befreiung werden jährlich bis zu einem Maximum von 500.000 Yen bewilligt.

Der Gebetstag für die Buraku Befreiung

Auf nationaler Ebene ist eine andere wichtige Aktivität der Gebetstag für die Buraku Befreiung, der immer am zweiten Sonntag im Juli abgehalten wird. Jede Gemeinde des Kyodan ist angehalten, diesen Sonntag für einen Schwerpunkt zum Thema der Buraku Befreiung zu nutzen, und das Zentrum stellt dafür Gottesdiensthilfen und Informationen für die Gemeinden zusammen. Wir sind dankbar, dass sich zahlreiche Kirchen im ganzen Land daran beteiligen. Im Jahr 2008 hat das Befreiungszentrum eine solche Information für alle Kirchen im Land für den 13. Juli gedruckt. In diesem Jahr ist es der 12. Juli.

2. Theater der Befreiung

Alle 2 Jahre produziert das Befreiungszentrum ein ausführliches Befreiungs-Theaterstück, das Menschen dazu auffordert, selbst diskriminierendes Verhalten abzulegen. Das aktuelle Stück mit dem Titel 40 Tage in der Wildnis wurde erstmals bei der Generalsynode der Kirche am 21. Oktober 2008 aufgeführt. Von den 215 Zuschauern wurde es gut aufgenommen, und die Zeitschrift des Kyodan hat begeistert darüber berichtet. Es wurde wiederaufgeführt beim Doshuren Seminar in der Zentrale von Tenrikyo (einer neueren Richtung des japanischen Buddhismus, Anm. d. Ü.) am 20. Januar mit 60 Zuschauern und beim Friedens-Festival an der Midorigaoka Kirche in Kanagawa am 20. März mit 100 Zuschauern. Drei weitere Aufführungen sind in der nächsten Zeit geplant, darunter beim Sommerseminar zur Buraku Befreiung im Kirchenbezirk Kyoto am 16. August, am 23. August unter der gemeinsamen Schirmherrschaft der Bezirke Osaka und Hyogo und im Bezirk Kyushu bei der Vereinigung der christlichen Organisationen zu Buraku-Fragen am 28. / 29. September.

3. Nationale Konferenzen

Seit 1987 organisiert das Befreiungszentrum mit einer Ausnahme alle 2 Jahre eine landesweite Konferenz. Die 10. Konferenz wurde vom 6. bis 11. Juni 2008 abgehalten unter dem Titel: Die Buraku Diskriminierung in mir. Ein Schlüssel zur Befreiung. In der engen Zusammenarbeit mit dem Higashi Chugoku Bezirk bei der Vorbereitung in der Okayama Kirche war dies die erfolgreichste bisherige Konferenz mit 203 Teilnehmenden. Wir beginnen nun die Planung für die Konferenz in 2010, die in Tokyo stattfinden soll unter der Schirmherrschaft der Kirchenbezirke Tokyo und Tokyo-West.

4. Abendvortragsreihen

Seit 1982 organisiert das Befreiungszentrum abendliche Vortragsreihen an verschiedenen Orten. Das Seminar im Jahr 2008 fand in der Omi Heian Kirche in der Präfektur Shiga am 28. September statt.

5. Monatliches Gebetsfrühstück

An jedem ersten Freitag im Monat versammeln sich Geistliche und Laien aus Kirchen der Umgebung (auch aus Kirchen, die nicht dem Kyodan angehören) im Büro des Befreiungszentrums zu einem Gebetstreffen, dem ein einfaches Frühstück folgt. Typischerweise nehmen 10 bis 15 Personen teil; eine Person hält eine Andacht oder kurze Predigt, der eine Zeit des Gebets folgt.

6. Jugendseminare

Seit 1996 hält das Befreiungszentrum in jedem Sommer ein Jugendseminar ab, um künftige Leitungspersonen zu gewinnen. Durch das Studium des Themas der Buraku Diskriminierung und der Buraku Befreiungsbewegung werden junge Menschen herausgefordert, darüber nachzudenken, wie sie ihr Leben gestalten möchten. Das 11. derartioe Seminar wurde in der Izumi Kirche abgehalten vom 5. bis 8. August 2008 mit insgesamt 74 Teilnehmenden. Das Seminar 2009 ist geplant vom 25. bis 28. August, ebenfalls in der Izumi Kirche. Das Planungskomitee trifft sich alle zwei Monate.

7. Freiwillige und Praktikanten

Im letzten Sommer war beim Befreiungszentrum ein Praktikant aus einer Theologischen Hochschule des Kyodan tätig, der sich u.a. bei unserem Jugendseminar beteiligt und bei der Büroarbeit geholfen hat. Bei anderen Gelegenheiten kommen Freiwillige, die z.B. beim Versand helfen.

8. Veröffentlichungen

Die Zeitschrift Kaiho e no Habataki (Flügelschlag der Befreiung) wird an jede der 1726 lokalen Kirchen des Kyodan und an 1300 Einzelpersonen, Organisationen, Schulen usw. gesandt. Insgesamt 5000 Exemplare werden in 3 Ausgaben pro Jahr gedruckt. Die 84. Ausgabe vom 20. August legte den Schwerpunkt auf das Thema Diskriminierung im Internet, die 85. Ausgabe vom 25. November 2008 und die 26. Ausgabe vom 10. April 2009 behandelten das Thema Doshuren (Die Vereinigung der Religionen zum Integrationsproblem, ein beschönigender Begriff für Buraku Diskriminierung).

Zudem wird der Buraku Kaiho Zenkoku Tsushin (Nationaler Newsletter der Buraku Befreiung) als Freundesbrief an Menschen und Organisationen gesandt, die an Veranstaltungen des Befreiungszentrums teilnehmen oder Geld für Aktivitäten spenden. Wir bringen Artikelserien wie detaillierte Berichte zur Umsetzung der Leitlinien der Burakubefreiung und Fälle von Diskriminierung mit Zeugenaussagen darüber, wie den beteiligten Menschen geschadet wurde, aber auch Aufrufe zum Zusammenstehen gegenüber einer diskriminierenden Gesellschaft.

Von diesem Freundesbrief drucken wir dreimal jährlich 3600 Kopien. Ausgabe 55 wurde am 25. Juni 2008 herausgegeben, gefolgt von Ausgabe 56 am 8. Oktober und Nr. 57 am 13. Februar 2009.

Unser englischer Newsletter Crowned with Thorns (Mit Dornen gekrönt) wurde im Februar 1984 begonnen, von Herbst 1999 für 8 Jahre unterbrochen und seit November 2007 wieder herausgegeben. Er erscheint ebenfalls dreimal jährlich mit einer Auflage von 1000 Exemplaren. Herausgeber ist der ökumenische Mitarbeiter Tim Boyle. Die 48. Ausgabe erschien am 31. März 2008, gefolgt von der 49. am 30.September und der 50. am 31. Januar 2009.

9. Homepage

Während das Befreiungszentrum jahrelang eine einfache homepage in japanischer Sprache betrieb, ging im Februar 2009 eine anspruchsvolle Seite ans Netz, die endlich auch einen englischsprachigen Teil enthält.

Die Adresse lautet:

http://www1.odn.ne.jp/burakuliberation

10. Die Bewegung zur Forderung der Wiederaufnahme des Sayama Falles

Das Befreiungszentrum setzt seine Anstrengungen fort, die gerichtliche Wiederaufnahme des Falles von Kazuo ISHIKAWA zu erreichen. Er wurde für ein Verbrechen verurteilt, mit dem er eindeutig nichts zu tun hatte. Er wurde nur verurteilt, weil es nützlich erschien, jemandem die Schuld anzuhängen, den man für entbehrlich hielt, weil er aus dem örtlichen Buraku stammte. Dieser Fall ist wichtig, weil er das diskriminierende Verhalten der Gesellschaft aufzeigt. Deshalb ist das Befreiungszentrum wie auch der Kyodan insgesamt an vielen Aktivitäten beteiligt, um dieses Ziel zu erreichen. Zum Beispiel wurde in Kirchen und auf Straßen eine Unterschriftensammlung für eine Petition an das Gericht durchgeführt, und so waren wir Teil eines Teams, das am 23. Mai 2007 mehr als 1 Million Unterschriften  an das Gericht überreichte. Wie jedes Jahr am 23. Mai nahmen wir zusammen mit vielen anderen Gruppen teil an einer zentralen Demonstration Hibiya-Park in Toyko mit anschließendem Sternmarsch zur Forderung der Wiederaufnahme des Sayama-Falles. 50 Christen fanden sich zuvor zu einem eigenen Treffen zusammen und nahmen dann am Marsch auf das Parlamentsgebäude teil. Eine ähnliche Demonstration gibt es in jedem Jahr am 31. Oktober jeweils mit ungefähr 50 Christen beim Vortreffen mit anschließender Verteilung unserer Flugblätter zu Beginn der Demonstration.

11. Menschenrechtserziehung an Seminaren und anderen Schulen

Seit 1996 zielt dieses Programm darauf, das Bewusstsein über Buraku Diskriminierung und andere Diskriminierung unter zukünftigen Pastoren zu erhöhen, indem Seminare an Theologischen Hochschulen des Kyodan und anderen Schulen durchgeführt werden. Das 21. derartige Seminar wurde am 10.November 2008 in Tokyo mit 10 teilnehmenden Studierenden veranstaltet. Hauptsprecher war Pfr. Kazuhiro TANIMOTO vom Befreiungszentrum, die Botschaft im Eröffungsgottesdienst kam von Prof. Yuichi OZUMI. Tomio TAKAYANAGI von der Ländlichen Theologischen Hochschule hielt einen Vortrag über Menschenrechtserziehung in der Erwachsenenbildung.

12. Werbefahrten

Vom 13. bis 23. Juni führte das Befreiungszentrum eine zehntägige Werbefahrt durch. Ein Team von vier Personen reiste rund um die Insel Shikoku und hielt Treffen in 27 Gemeinden auf der ganzen Insel ab. Diese Fahrt knüpfte an die noch ehrgeizigere erste Werbefahrt an. Diese war 82 Tage lang durch ganz Japan gegangen.

13. Kooperationen des Befreiungszentrums mit verschiedenen anderen Organisationen

Das Buraku Befreiungszentrum arbeitet in Solidarität mit einer Reihe anderer Antidiskriminierungs- und Menschenrechtsorganisationen. Im Folgenden eine Auflistung der Organisationen, an denen das Befreiungszentrum direkt beteiligt ist:

a. Vereinigung Christlicher Organisationen zur Buraku Frage. Das Leitungskomitee trifft sich alle zwei Monate, um Aktivitäten zu planen.

b. Die Menschenrechtskonferenz der Nationalen Vereinigung christlicher Schulen. Ein Seminar wurde abgehalten vom 7. bis 9. August an der Karitasu Girls Junior und Senior High School.

c. Der Nationale Christenrat Japans und sein Jugendrat in Kansai. Die Verbundenheit durch Seminare und Sport ist der Schwerpunkt dieser Gruppe. Ein Gemeinsames Programm für junge Japaner, Koreaner und Koreaner in Japan wurde vom 16. bis 21. Februar 2009 am Ginowan Seminar in Okinawa mit rund 40 Teilnehmenden durchgeführt.

d. Die Vereinigung der Religionen zum Integrationsproblem (ein beschönigender Begriff für Buraku Diskriminierung). Vom April 2009 bis zur Synode im April 2011 wird der Kyodan die Geschäftsführung dieser interreligiösen Organisation inne haben. Pfr. Makoto KOBAYASHI ist Moderator, und Fumio TANBA (Mitarbeiter in der Kirchenleitung) ist Geschäftsführer des Doshuren-Büros.

e. Der Beirat zur Burakubefreiung für die Region Daito und Shijonawate (die Region, in der das Befreiungszentrum angesiedelt ist). Wir nehmen teil am monatlichen Treffen und an Aktivitäten wie dem Verteilen von Flugblättern vor dem Bahnhof und am Friedensmarsch.

Es gibt zahlreiche andere Organisationen, mit denen wir in weniger direkter Art kooperieren. Dazu gehört die Organisation einer landesweiten Spendensammlung für die Tsunamiopfer in Indien, insbesondere zur Unterstützung der diskriminierten Dalit-Gemeinschaft. Ungefähr 70.000,- $ wurden gesammelt, um die Kirchen in Indien bei Sofortmaßnahmen und langfristiger Hilfe zu unterstützen, wie zum Beispiel beim Aufbau einer Schule für Dalit und andere benachteiligte Kinder.

DasBefreiungszentrum unterstützt ferner Organisationen bei Bekämpfung anderer Formen von Diskriminierung. Innerhalb des Kyodan gab es verschiedene Fälle von Gender- und sexueller Diskriminierung. Beispielsweise wurde bei der Synode des Kyodan 2006 eine diskriminierende Erklärung gegen Homosexuelle abgegeben. Teilweise als Reaktion darauf hat das Befreiungszentrum fünf Vortragsreihen zur Frage von Diskriminierung gegen Homosexualität finanziert und im April 2008 einen Bericht dazu veröffentlicht.

Der Kyodan ist involviert in das weitere lange verdrängte Thema der Wiedergutmachung nach dem Krieg, und das Befreiungszentrum ist daran als Mitglied eines größeren Komitees beteiligt. Vorrangig unter den diversen Fragestellungen war im Berichtszeitraum das Thema der sogenannten comfort women (Zwangsprostituierten) des japanischen Militärs im Zweiten Weltkrieg. Wir unterstützen das Museum über Krieg und Menschenrechte für Frauen und helfen durch Verteilung von Flugblättern zu diesem Thema und nehmen an ihren Treffen teil.

Die weiteren solidarischen Aktionen sowohl des ganzen Befreiungszentrums wie auch einzelner mit uns verbundener Personen können aufgrund der großen Zahl hier keine Erwähnung finden.

Wir hoffen, dass dieser Bericht hilfreich für Sie gewesen ist, um die Arbeit des Befreiungszentrums zu verstehen. Wir hoffen ebenso, von Ihnen allen zu lernen, da wir in Solidarität zusammen arbeiten. Möge Gottes Segen und Gnade bei Ihnen allen sein!