2016 Erst gehasst, dann geschasst

9. Dezember 2016 - Impeachment und danach
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Erst gehasst, dann geschasst

Südkoreas Präsidentin Park Geun-Hye ist ihres Amtes enthoben und von Premier Hwang Kyo-Ahn abgelöst worden
von Rainer Werning

Um 16:13 Uhr Ortszeit stand am Freitag fest, dass die seit Oktober in der Republik Korea (Südkorea) an jedem Wochenende stattgefundenen Massenproteste erfolgreich waren. Die seit Februar 2013 amtierende Präsidentin Park Geun-Hye erlitt ein politisches Debakel ohnegleichen: 234 von 300 Parlamentariern stimmten in der Nationalversammlung für die Amtsenthebung Parks – eine Zweidrittelmehrheit hätte ausgereicht. Nunmehr hat das Verfassungsgericht binnen 180 Tagen letztinstanzlich über die Rechtmäßigkeit der Amtsenthebung zu befinden. Bestätigt die Mehrheit der Richter das Verdikt gegen Park, müssen anschließend innerhalb von zwei Monaten Neuwahlen abgehalten werden. Erklären die Richter das gestrige Votum hingegen für unrechtmäßig, wäre Park rehabilitiert und wieder im Amt – was mehr als unwahrscheinlich ist.

Auslöser für das Amtsenthebungsverfahren gegen die Präsidentin waren ein millionenschwerer Korruptionsskandal um ihre engste Vertraute Choi Soon-Sil und der Vorschlag, die Verfassung zu ändern und eine zweite Amtszeit für Präsidenten zu erlauben. Choi habe, so die bisherigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, die Regierungsgeschäfte in erheblichem Maße beeinflusst, Reden für die Präsidentin verfasst und sei in Staatsgeheimnisse eingeweiht worden, ohne jemals Staatsbedienstete gewesen zu sein. Auch dreimalige öffentliche Entschuldigungen nutzten Park nichts. Ihr Nachfolger und vorläufig mit der Staatsführung betraut ist mit Premierminister Hwang Kyo-Ahn ein Mann, dem Oppositionspolitiker nachsagen, er habe denselben Stallgeruch wie seine gefallene Chefin.

Ein solches politisches Desaster hätte Park Geun-Hye sich nicht im Traum vorstellen können, als sie am 25. Februar 2013 als erste Frau ins »Blaue Haus«, den Amtssitz des südkoreanischen Präsidenten, einzog. Vollmundig versprach sie eine Abkehr von der rigiden neoliberalen Wirtschaftspolitik ihres Vorgängers, die Macht der großen Konzerne sollte gemindert werden, Marginalisierte verstärkt Hilfe bekommen und »eine neue Ära für unser Land« beginnen. Auch sollte der Dialog mit dem Norden, der Demokratischen Volksrepublik Korea, wiederbelebt werden. Auf diese Weise wollte sie auch aus dem Schatten ihres Vaters, des Militärdiktators Park Chung-Hee, heraustreten, der das Land von 1961 bis 1979 mit eiserner Faust regiert hatte.

Doch all diese Vorsätze erwiesen sich schnell als Schall und Rauch: Park, deren Amtszeit offiziell im Februar 2018 geendet hätte, ging repressiv gegen Arbeiter und Gewerkschafter – vor allem gegen die kämpferische, etwa 700.000 Mitglieder zählende KCTU –, Lehrer, zivilgesellschaftliche und oppositionelle Kräfte vor und verfolgte außenpolitisch einen stramm antikommunistischen Kurs.

Die nächsten Wochen und Monate werden von innen- wie außenpolitisch für Turbulenzen bestimmt sein. Es rumort stark in Parks eigener Partei, der rechtskonservativen Saenuri (Neue Welt). Eine Spaltung, wenn nicht gar das politische Ende droht. Der von Park favorisierte und gemeinsam mit Washington vorangetriebene Plan, bis zum Herbst nächsten Jahres das US-Raketenabwehrsystem THAAD in Seongju in der Provinz Nord-Gyeongsang zu installieren, ist aufgrund wachsenden regionalen Unmuts stark in der Kritik, wenn nicht gar gefährdet.

Außerdem bleibt abzuwarten, ob der neue US-Präsident Donald Trump – wie im Wahlkampf angekündigt – von Seoul verlangen wird, sich mehr an den Kosten für die Sicherung von Stabilität und Frieden auf der Koreanischen Halbinsel zu beteiligen. Am 14. 12. findet um 19 Uhr die Veranstaltung »Unerhörtes sichtbar machen« in der Werkstatt der Kulturen, Wissmannstraße 32, in Berlin statt.

http://www.jungewelt.de/2016/12-10/033.php