Nanyue - Daoismus-Forum in Hunan

Das Dao auf dem Weg zur Soft Power?

Erstes Internationales Daoismus-Forum tagt in Hunan


Vom 23.–25. Oktober 2011 fand im Bezirk Nanyue, Stadt Hengyang (Provinz Hunan), das erste Internationale Daoismus-Forum (guoji daojiao luntan 国际道教论坛) statt. Der Ort liegt am Fuß des Hengshan, des südlichsten der fünf heiligen Berge des Daoismus. 500 Teilnehmer aus 21 Ländern nahmen an dem Forum teil. Veranstalter waren die Chinesische daoistische Vereinigung (CDV), die offizielle Massenorganisation des Daoismus in China, und die unter dem Schirm des Staatlichen Büros für religiöse Angelegenheiten stehende China Religious Culture Communication Association. Die Veranstaltung knüpfte an das 2007 in Xi’an und Hongkong veranstaltete Internationale Daodejing-Forum an. In vergleichbarem Rahmen wurden in China 2006 und 2009 bereits zwei große Buddhistische Weltforen organisiert.
Zu den Themen der Tagung gehörten Umweltschutz, nachhaltige Entwicklung, Harmonie zwischen den Religionen, Weltfrieden und die mögliche Rolle des Daoismus in diesen Bereichen. Unterforen der Tagung beschäftigten sich u.a. mit dem Dao zwischen Ost und West, dem Dialog der „drei Lehren“ Daoismus, Buddhismus und Konfuzianismus sowie der Verbindung zwischen den Daoisten in Festlandchina, Hongkong, Macau und Taiwan. Diese Diskussionen wurden auch im chinesischen Fernsehen übertragen.
Es müssten mehr junge daoistische Priester rekrutiert werden, und die Religion müsse die modernen Technologien besser nutzen, um ein neues Publikum erschließen zu können, sagte Xu Jialu, ehemaliger Vizepräsident des ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses, während der Tagung. Den Organisatoren des Forums zufolge gibt es in Festlandchina rund 30.000 daoistische [Quanzhen-]Mönche in Tempeln und 60.000 Zhengyi-Daoisten, die nicht in Tempeln leben.

„China fördert den Einfluss des Daoismus im Ausland“, titelte ein Beitrag der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua über das Forum. Damit beschrieb sie eines der Hauptanliegen der Konferenz. Jia Qinglin, Vorsitzender der Politischen Konsultativkonferenz, rief in einem Grußwort die Teilnehmer des Forums dazu auf, die chinesische Kultur in der Welt attraktiver zu machen. Lin Zhou, ein Vizevorsitzender der CDV, erklärte laut Xinhua, dass es im Westen viele „daoistische Gläubige“ gebe und zahlreiche wissenschaftliche Einrichtungen umfangreiche Daoismusforschung betrieben. Es finde im Rahmen des Forums auch ein Seminar statt, in dem daoistische Gesellschaften aus Europa und Amerika „die Entwicklung der Religion in ihren jeweiligen Territorien“ diskutierten, hieß es in der gleichen Pressemeldung. Meister Ren Farong, Vorsitzender der CDV, wies an gleicher Stelle darauf hin, dass China im Oktober einen Plan für die Reform und Entwicklung seiner Kultur entworfen habe und der Daoismus als eine Soft Pow­er des Landes gesehen werden sollte [vgl. unten, Beitrag vom 18. Oktober 2011].
„Chinesische Regierung konsultiert zum ersten Mal seit 900 Jahren die Daoisten zu sozialen Problemen“, lautete die griffige Überschrift einer Pressemeldung der in Großbritannien angesiedelten Alliance of Religions and Conservation, deren Generalsekretär Martin Palmer einer der prominenten ausländischen Redner der Konferenz war. Der Daoismus sei in der chinesischen Geschichte „immer das Yin zum Yang der konfuzianischen Machtstruktur“ gewesen, sagte Palmer im Gespräch mit der katholischen Nachrichtenagentur UCAN Anfang Oktober. Seine Botschaft von Einfachheit, Respekt vor der Natur, Bescheidenheit und Streben nach der richtigen Balance sei heute vielleicht wichtiger als jemals in der chinesischen Geschichte. Die Tatsache, dass die Regierung sich auf diese Alternativtradition einlassen wolle, sei ein starker Indikator dafür, dass China nach Wegen suche, seine Natur und seine Menschen zu schützen.

Die Abschlusserklärung des Daoismusforums (siehe Dokumentation) sieht ungezügelte Raffgier und Streben nach grenzenlosem Gewinn als Ursache für den Verlust der Balance, sie fordert Bescheidenheit und Verzicht auf Überfluss, um zur „Harmonie zwischen Himmel und Mensch“ zurückzukommen – eine Diagnose, die sicher den Kern vieler aktueller Krisen nicht nur in China trifft.
Katharina Wenzel-Teuber

Quellen (2011): UCAN 6.10.; Xinhua 22.,23.,25.10.; german.china.org.cn 25.10.; www.arcworld.org 20.10.; www.sara.gov.cn/ztzz/gjdjlt2011/index.htm (Unterseite der Homepage des Staatlichen Religionsbüros zum Daoismusforum mit vielen Meldungen); www.taoist.org.cn (Homepage der CDV mit Unterseite zum Daoismusforum). Siehe auch die Berichte und Abschlusserklärungen zum Internationalen Daodejing-Forum in: China heute 2007, Nr. 3, S. 67, 79; zum Ersten Buddhistischen Weltforum in: ebd. 2006, Nr. 3, S. 66, 81; zum Zweiten Buddhistischen Weltforum in: ebd. 2009, Nr. 2, S. 78, 95f.


Nanyue-Erklärung des Internationalen Daoismus-Forums

Vorbemerkung: Vom 23.–25. Oktober 2011 fand im Bezirk Nan­yue, Stadt Hengyang (Provinz Hunan), am Fuß des Hengshan, einem der fünf heiligen Berge des Daoismus, das Internationale Daoismus-Forum statt (siehe den Beitrag in den Informationen dieser Nummer). Veranstalter waren die Chinesische daoistische Vereinigung und die China Religious Culture Communication Association. Am Ende verabschiedeten die Teilnehmer die folgende Erklärung, in der sie den möglichen Beitrag des Daoismus zur Lösung aktueller Probleme in der Welt skizzieren. Sie wurde in Chinesisch und Englisch veröffentlicht (www.china.com.cn/policy/txt/2011-10/26/content_23732663.htm) und von Katharina Wenzel-Teuber aus dem Englischen übersetzt. (Red.)

Das große Dao ist namenlos, es ist rein und ruhig, es ist das, was von selbst ist. Tiefgründige Lehren weisen uns, in jeder unserer Handlungen dem Weg des Himmels zu folgen. Nur das Dao verdient den Platz des höchsten Respekts, nur die Tugend [de ?] wird über alles geehrt, zur Rettung der Welt und zum Nutzen ihrer Völker, durch die Geschichte bis in die moderne Zeit.

In der Welt von heute entwickeln sich Wissenschaft und Technologie, es gibt täglich zivilisatorische Fortschritte. Doch die Begierden der Menschheit wuchern ungehindert, ihre Raffgier kennt kein Maß. Menschen bekämpfen einander um ihres persönlichen Vorteils willen, so dass es immer schwieriger wird, Hass und Feindschaft zu überwinden. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer, Konflikte wachsen. Natur und Umwelt sind gestört, die Kräfte von Yin und Yang sind in einen Zustand des Ungleichgewichts geraten.

Im Jahr Xinmao (2011), in der glückverheißenden Jahreszeit des Herbstes, sind Anhänger des Dao und der Tugend und wohlmeinende Menschen aus allen Lebensbereichen am Fuß des Berges Hengshan am Ufer des Xiang-Flusses zusammengekommen, um in die erfrischende Umgebung des heiligen Berges einzutauchen und die profunde Zivilisation des Südlichen Gipfels zu teilen. Im Nachklang des Internationalen Daodejing-Forums, das im Frühling des Jahres Dinghai (2007) gehalten wurde, interpretieren wir die tiefe Bedeutung des Respekts für das Dao und der Ehrerbietung für die Tugend und bringen unseren Wunsch nach harmonischem Zusammenleben zum Ausdruck. Wir suchen nach Wegen, Ruhe von Körper und Sinn, friedliche Beziehungen, eine freundliche Umwelt und nachhaltige Entwicklung zu erreichen.

Das Forum hat drei Tage lang über die Vergangenheit nachgedacht und über die Zukunft diskutiert. Alle haben Fragen aufgeworfen, nach der Wahrheit gesucht und sind zu folgendem gemeinsamem Verständnis gelangt:

Den Begierden ungezügelt freien Lauf zu lassen ist die Wurzel der Unordnung in der Natur. Das Streben nach grenzenlosem Profit ist die Quelle des Streits unter den Menschen. Dies sind die Ursachen dafür, dass die Menschen der Welt sich selbst verloren haben und weit vom großen Dao abgewichen sind.
Man muss wissen, dass das Dao des Himmels Nutzen bringt, ohne zu schaden, dass das Dao des Weisen etwas erreicht, ohne zu kämpfen. Indem man an Einfachheit und Wahrheit festhält, kann man seelischen Frieden erlangen; indem man das Leben ehrt und sich daran freut, kann man zu einem glücklichen Leben kommen; indem das Dao sich selbst folgt, kommen wir dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung näher; indem wir uns in Güte und Liebe zusammenschließen, erreichen wir gemeinsamen Wohlstand.
Wir sollten unseren Sinn zur Ruhe bringen und über uns selbst reflektieren, dem Pfad der Natur folgen und freund­lich gegenüber allen Dingen handeln, auf Überfluss verzichten und Mangel wettmachen, anderen den Vortritt lassen und alles Streiten beenden. Wir sollten mit Kraft die Harmonie zwischen Natur und Menschheit [im chinesi­schen Original wörtlich: Harmonie zwischen Himmel und Mensch tian ren zhi hexie 天人之和谐] fördern und uns gemeinsam für den Frieden auf Erden einsetzen.

Wenn das Handeln aus dem Respekt für das Dao kommt,
sind Himmel und Erde in Frieden.
Wenn die Taten mit Ehrerbietung für die Tugend geschehen,
lernen alle Dinge, zusammenzuleben.
Wir halten am Dao des Altertums fest
und stellen uns der Gegenwart.
Respektiert das Dao und ehrt die Tugend
für ein harmonisches Zusammenleben!


 18. Oktober 2011:

ZK der KP Chinas verabschiedet neue Richtlinien für kulturelle Entwicklung

Der "Beschluss des ZK über einige wichtige Fragen zur Ankurbelung einer großen kulturellen Entwicklung und Blüte" () zielt chinesischen Presseberichten zufolge darauf ab, Chinas Soft Power zu verstärken und die "kulturelle Sicherheit" (cultural security) zu bewahren. Der Aufbau eines "Systems von sozialistischen Kernwerten" soll gefördert und die Führung der KP Chinas in kulturellen Angelegenheiten verbessert werden. Angestrebt wird zudem, dass die Kulturindustrie sich schneller entwickelt. Bis 2016 soll sie einen Anteil von 5% am Bruttoinlandsprodukt haben. Xinhua zufolge war es das erste Mal seit 15 Jahren, dass sich eine Plenarsitzung des Zentralkomitees der Partei schwerpunktmäßig mit Kultur befasste. -  Am 1. November 2011 kündigte das chinesische Finanzministerium an, künftig mehr Steuergelder für Museen, Kinos, Musikfirmen, Verlage und andere Kultureinrichtungen auszugeben (Global Times online 1.11.; Xinhua 25.10.; 1.11.).

Mit freundlicher Erlaubnis von "China heute", jahrgang XXX, 2010,4

 

CCC

Stichwörter zur Geschichte

7.-9. Jhd.
Nestorianer

1583 - 1717
Jesuitenmission, zeichnet sich durch starke Assimilation an die chinesische Kultur aus, zielt auf die Gewinnung der Oberschicht.
Matteo Ricci.
Ritenstreit beendet die Missionstätigkeit aller Orden

Beginn 19. Jhd.
protestantische Mission

1807
Robert Morrison, intensive Übersetzungstätigkeit

1814
erster Konvertit

1819
chinesische Bibel

1844
Kar1 Gützlaff

1832-1905
Hudson Taylor

1840
1. 0piumkrieg

1850-64
Taiping-Revolte unter Hong Xiuquan

1857-60
2. Opiumkrieg. Verlust der Zollautonomie, Konzessionen, verstärkte Ansiedelung von Ausländern

1865
China Inland Mission gegründet (1895 641 Missionare, 462 Assistenten, 260 Missionsstationen)

1912
Ausrufung der Republik China durch Sun Yatsen

1949
Ausrufung der Volksrepublik China durch Mao Zedong, Ausweisung aller Missionare

1951
Beginn der Drei-Selbst Bewegung unter Schirmherrschaft von Ministerpräsident Zhou Enlai.

1965-75
Kulturrevolution

1978
Wiedereröffnung der ersten Kirchen

1980
Nationale Christenkonferenz gründet Chinesischen Christenrat.

1981
Lehrbetrieb des Theologischen Jinling Seminars in Nanjing wird wieder aufgenommen.

4. 6. 1989
Tiananmen "Zwischenfall"

1996
Nationale Christenkonferenz

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